Redliches Geld
von John Tomlinson
Originaltitel "Honest Money"
© 1998 by John Tomlinson & Helix Editions
Übertragen ins Deutsche von Wolfgang E. Nebmaier
Vorwort
Ich will in diesem Buch kritisch eine der grundlegenden Annahmen
untersuchen, auf denen die meisten von uns ihre wirtschaftliche
Existenz aufgebaut haben. Es ist die Basis des wirtschaftlichen
Denkens unserer westlichen Welt.
Keiner der heute anerkannten wissenschaftlichen Theoretiker
der Volkswirtschaft, von Ricardo bis Marx, von Keynes bis
Mises, von Hayek über Friedman bis Galbraith, hat je die funktionelle
Richtigkeit der Geldverleihtätigkeit unserer Banken in Frage
gestellt. Sie wird als Tatsache an- und hingenommen und wir
sollen glauben, daß es der Zweck des Bankensystems sei, Geld
zu verleihen, daß es ohne Bankanleihen keine Expansion, kein
Wachstum für Wirtschaft und Gesellschaft geben könne.
Ich will diese Denkweise in Frage stellen, und mit ihr die
Grundideen, auf denen sie beruht.
Wie fast alle von uns sind auch Banker einfach in ein Wirtschafts-
und Finanzsystem "hineingeboren" worden, zu dem der Geldverleih
nun einmal gehört. Und innerhalb dieses Systems versuchen
sie ihr Bestmögliches zu tun. Die meisten von ihnen verhalten
sich durchaus verantwortungsvoll, aber nur wenige, wenn überhaupt
welche, haben jemals die Rechtfertigung eben jener Aufgaben
hinterfragt, die sie Tag für Tag so effektiv ausführen.
Verantwortungsbewußte Banker sind heute nicht mehr die einzigen,
die sich der Notwendigkeit einer kritischen Neueinschätzung
sowohl des internationalen Bankwesens als auch des westlichen
Währungssystems stellen müssen. Denn beide Systeme sind in
Gefahr in absehbarer Zeit zu scheitern: Das internationale
Bankensystem sieht sich einem von ihm selbst ausgereizten
Anleihemarkt konfrontiert und muß mit einer enormen Debitoren-Zahlungsunfähigkeit
rechnen. Das westliche Währungssystem muß mit einer möglichen
Hyperinflation rechnen. Diese Gefahren fordern von allen,
die dafür verantwortlich sind, und auch von uns allen, die
wir davon abhängig sind, eine kritische Sichtweise. Wir alle,
ob einfacher Sparer, ob Mann oder Frau von der Straße, ob
Vorstand eines riesigen Konzerns oder Regierungschef, haben
das gleiche Anliegen: Die immanenten Fehler dieser beiden
Systeme müssen aufgedeckt und korrigiert werden, damit Banken
und Währungssysteme durch tragfähige Änderungen wieder gestärkt
und sicherer gemacht werden können.
Es kann einfach nicht richtig sein, daß die Lösung wirtschaftlicher
Schwierigkeiten einfach im Senken der Zinssätze liegen soll.
Zinsen werden gesenkt, um Menschen zur weiteren Verschuldung
zu ermuntern. Es kann auch nicht richtig sein, wenn Wirtschaftsexperten
einstimmig behaupten, daß nur der Geldbestand nicht schnell
genug wächst; denn der Geldbestand wächst nur durch neue Verschuldung.
Der _ unausgesprochene _ Grundgedanke hinter diesen zwei Aussagen
wäre, daß entweder nicht genug Menschen verschuldet sind oder
daß diejenigen, die verschuldet sind, nicht weit genug in
den roten Zahlen stecken. Es ist einfach absurd, ausufernde
Verschuldung als den Weg zu einer gesünderen Wirtschaft zu
propagieren.
Ich werde die Mechanik der Geldverleihaktivitäten des Bankensystems
darstellen: wie sie eigentlich schon als täuschende Manipulation,
als Vorspiegelung falscher Tatsachen begannen; wie das aus
solchen trügerischen Mechanismen entstandene unredliche Geld
Sparern und Rentnern Kaufkraft stiehlt und sie den Schuldenmachern
schenkt; wie diese fragwürdige Praxis sanktioniert wurde und
sich zu dem entscheidenden Mechanismus geformt hat, der unser
Geld entwertet; und schließlich, wie Inflation, Konjunkturzyklen
und andere scheinbar unabhängige Wirtschaftsgeschehnisse direkt
von diesem Entwertungsmechanismus ausgehen. Ich werde darlegen,
warum die bisherigen Versuche, Inflation in den Griff zu bekommen,
gescheitert sind, und warum sie, solange wir unser Denken
nicht ändern, immer wieder scheitern werden.
Eine neue Denkweise ist unbedingt erforderlich, und zwar
auf der Grundlage einer klaren Einsicht in die Zusammenhänge
des Geldsystems. Dieses Buch ist mein Beitrag zu dem notwendigen
Prozeß der Entschlüsselung und Aufklärung.
Die von mir angebotenen Lösungen basieren auf dem, was ich
für möglich und erreichbar halte. Meine Lösungsvorstellungen
unterliegen nicht den üblichen "Wahrscheinlichkeiten" auf
die uns die heute gängige Denk- und Handlungsweise einschränken
möchte. Es ist möglich, unser jetziges Währungs- und
Bankensystem so zu ändern, daß das Papiergeld, von dem wir
alle so abhängig geworden sind, nicht mehr entwertet wird.
Man kann Preise stabilisieren. Die Konjunktur- und
Krisenzyklen, an die wir uns gewöhnen mußten, sind nicht nötig.
Rezessionen und Depressionen lassen sich ebenso vermeiden
wie damit meist einhergehende Massenarbeitslosigkeit. Dauerhaftes
Wirtschaftswachstum kann erreicht werden. Es ist
möglich, guten, kreativ produktiven Unternehmen einen verläßlichen
Investitionsfluß zu sichern. Verantwortungsvolle Planung und
Sparsamkeit können wieder geachtet und belohnt, anstatt bestraft
zu werden. Alles das ist möglich. Und es kann und wird in
einem ehrlichen Währungs- und Bankensystem zu verwirklichen
sein. Das muß unser Ziel sein.
Es ist die Absicht dieses Buches unser westliches Währungs-
und Bankensystem aus einer bisher noch wenig verbreiteten
_ und wenn man so will: "alternativen" _ Sichtweise zu hinterfragen
und wenigstens auf einige dieser Fragen Antworten anzubieten.
Im Interesse der Klarheit und Verständlichkeit habe ich versucht,
einschlägigen Fachjargon zu vermeiden und stattdessen eine
einfache Sprache zu verwenden.
Oxford, im Oktober 1993
John Tomlinson
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ERSTER TEIL
Unredliches Geld
Die Inflation als Dieb
Baltimore, im Jahr 1937. Ein junger Mann geht die Straße
entlang. In seiner Tasche hat er 750 Dollar Bargeld. Er ist
unterwegs zum Ford-Händler, um sich ein neues Auto zu kaufen.
Auf seinem Weg kommt er an einer Bank vorbei. In ihrem Schaufenster
hängt ein Plakat, das die Bevölkerung auffordert, U.S.-Regierungsanleihen
zu kaufen. Er bleibt stehen, studiert das Plakat genau. Es
erinnert ihn an den Rat, den er von seinem Großvater so oft
gehört hat: klug zu sein und zu sparen.
Also geht er in die Bank, um sich zu erkundigen. Man erklärt
ihm, daß er mit seinen 750 Dollar einen Sparbrief kaufen kann,
der in zehn Jahren 1.000 Dollar wert sein wird. Er kommt zu
dem Schluß, daß er eigentlich im Moment nicht unbedingt ein
neues Auto braucht, und kauft sich stattdessen den Sparbrief.
Zehn Jahre später, als er bereits einen guten Wagen besitzt,
entschließt er sich, seinen Sparbrief für weitere zehn Jahre
zu verlängern. Weitere zehn Jahre später dann, im Jahr 1957,
braucht er nun wirklich ein neues Auto und löst seinen Sparbrief
ein. Der Erlös ist 1.450 Dollar, fast zweimal so viel, wie
er ursprünglich investiert hat. Sehr zufrieden mit diesem
Gewinn macht er sich auf den Weg zum Ford-Händler. Doch zu
seinem Schrecken muß er feststellen, daß er mit seinen 1.450
Dollar nur einen halben Ford kaufen kann.
Diese Anekdote hörte ich vor mehr als dreißig Jahren während
meiner Ausbildung als Broker für die New Yorker Börse. Der
Dozent wollte uns mit der gleichnishaften Geschichte die Gefahren
der Inflation deutlich machen. Keiner von uns Trainees in
jenem Seminarraum damals hatte schon reale Erfahrung mit den
Auswirkungen von Inflation. Aber vorstellen konnten wir uns
die Gefühle des schockierten Mannes in der Geschichte des
Dozenten durchaus: Er hatte einen halben Ford verloren und
dabei zwanzig Jahre nicht über sein Geld verfügen können.
Er dürfte es wie einen Raub empfunden haben, er wird wütend
gewesen sein, erfüllt von Mißtrauen. Doch wem konnte er die
Schuld dafür geben?
Nicht dem Geld, denn Geld ist über Schuld erhaben. Irgendjemand
aber würde er dafür verantwortlich machen! Vielleicht doch
das Geld?
Denn Geld, das laufend an Wert verliert, ist unredlich. Es
verhält sich wie ein Dieb. Es stiehlt von denen, die sparen,
und es beraubt diejenigen, die von festen Einkommen abhängen
und _ darauf bauend _ langfristige Verträge schließen.
Und doch ist unsere heutige Gesellschaft extrem abhängig
vom Geld: Wir verlassen uns auf Geld als Tauschmittel; wir
benützen es als Maßstab für den Wert der Dinge. Wir betrachten
Geld als sicheren Besitz, weil wir erwarten, daß erspartes
Geld einen konstanten Wert behält. Wir brauchen Geld als Maßeinheit
eines Tauschwertes: Es soll sowohl national wie auch international
eine Norm bieten für den Austausch von Gütern, Waren und Dienstleistungen.
Die Gesellschaft muß sich auf Geld verlassen können, sonst
bricht unser gegenwärtiges Währungssystem zusammen.
Um dem Geld wirklich vertrauen zu können, brauchen wir Geldeinheiten,
die präzise, vertrauenswürdig und konstant sind. In unserem
Zeitalter der Inflation aber verliert Geld täglich an Wert.
Um zu verstehen, auf welche Weise Inflation ein Chaos verursacht,
sollten wir ein anderes Maßsystem zum Vergleich heranziehen,
das uns allen sehr vertraut ist, nämlich Zeit. Können Sie
sich vorstellen, was geschehen würde, wenn unsere Maßeinheit
für Zeit laufend kleiner würde?
Nehmen wir an, Großbritannien richtet sich nach der großen
Turmuhr des Big Ben, eines der berühmten Wahrzeichen Londons,
als nationale Zeitnorm. Was würde geschehen, wenn das Uhrwerk
von Big Ben einen mechanischen Fehler hätte, der jede Minute
um eine Sekunde verkürzt? Dann wäre die für Großbritannien
maßgebliche Big-Ben-Minute nur noch 59 Sekunden lang.
Verfolgen wir diesen scheinbar kleinen Fehler weiter:
Zwei Leute, jeder mit seiner eigenen richtiggehenden
Uhr, verabreden sich auf einen Termin in drei Wochen
zum Mittagessen um 12 Uhr in einem bestimmten Restaurant.
Beide stellen ihre Uhren irgendwann während der folgenden
drei Wochen nach der Turmuhr des Big Ben. Treffen werden
sie sich aber nur, wenn sie das beide genau zur selben
Stunde tun, und das ist sehr unwahrscheinlich. Ihre
einzige realistische Chance sich zu treffen, besteht
also nur dann, wenn keiner von ihnen seine Uhr nachstellt.
Und selbst wenn sie sich treffen, ist es mehr als wahrscheinlich,
daß der Restaurantbesitzer seine Uhr zu einer anderen Zeit
nachgestellt hat und um die Zeit, zu der sie sich zum Mittagessen
treffen, keines mehr serviert. Denn nach Big Ben ist es jetzt
20:24 Uhr, und unsere beiden Freunde könnten beim Kellner
ein abendliches Dinner bestellen, nicht aber ihr vereinbartes
Mittagessen. Außerdem müßten sie auch in den folgenden Tag
noch alles hineinquetschen, was sie an diesem Nachmittag hätten
erledigen wollen.
Das wäre aber nicht alles, denn die Tage würden immer kürzer
werden. Mehr und mehr unerledigte Besorgungen und 'verpaßte'
Termine müßte man in immer kürzere Tage hineinpferchen. Immer
schneller müßten Zeitpläne geändert, Prioritäten neu gesetzt
und geänderte Maßnahmen angeordnet werden. Und keiner von
uns, gleichgültig wie perfekt seine Uhr gehen würde, wäre
synchron mit Big Ben oder mit den Uhren seiner Mitmenschen.
Das Ergebnis wäre ein unvorstellbares Chaos. In einem Restaurant
zum Beispiel würden alle _ Lieferanten, Kellner, Köche und
Gäste _ nach ihren eigenen Uhren gehen, deren 'Richtigkeit'
davon abhinge, wann sie zum letzten Mal mit der Turmuhr von
Big Ben abgeglichen wurden. Die Köche dürften Speisen fertig
haben, wenn die Gäste sie nicht wollen. Kellner würden zu
spät kommen, um die Speisen zu servieren. Die Lieferanten
kämen, wenn das Restaurant geschlossen wäre, oder das Personal
zu überlastet, um den Warenempfang abzuwickeln. Zufall und
Glück, wann man gerade seine Uhr der von Big Ben angeglichen
hat, wären wichtiger als gute Planung und vernünftige Prioritäten.
Planung würde man eher abwerten, während Änderungen zur normalen
Tagesordnung gehörten und immer schneller stattfinden müßten.
Überleben hinge davon ab, wie gut man sich diesen laufenden
Änderungen anpassen kann, und überall würde man die Klage
hören: "Wenn ich doch nur mehr Zeit hätte!" Zeit kann der
Mensch aber nicht selbst herstellen. Die Zeit hätte inzwischen
schon angefangen, den Menschen zu bestehlen. Sie wäre unehrlich
geworden.
Der Mensch kann jedoch sehr wohl Geld produzieren. Wie Zeit
ist auch Geld eine Maßeinheit, nach der sich die Prioritäten
für unseren individuellen Aufwand an Energie richten. In diesem
Sinne sind sich Zeit und Geld ähnlich. Wo die Größe einer
Geldeinheit dauernd geringer wird, treten ähnliche Folgen
auf wie sie bei einer immer kürzer werdenden Stunde auftreten
würden: Der Mensch wird um Werte bestohlen, auf deren Beständigkeit
er vertraut.
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Ein Maßstab für die Unredlichkeit des Geldes
Kann man die Unredlichkeit von Geld überhaupt messen?
Doch nur, indem wir ein Maß für seine Kaufkraft finden,
also durch den Vergleich mit der Menge einer bestimmten
anderen Ware, die man dafür kaufen kann. Eine Möglichkeit
dazu wäre ein Laib Brot. Brot wird genau nach Bedarf
hergestellt. Wenn es im Laden liegen bleibt, wird es
altbacken und läßt sich nicht mehr verkaufen. Der Preis
für Brot ist deshalb immer ein guter Index für den aktuellen
Geldwert, den jeweiligen zeitlichen wirtschaftlichen
Gegebenheiten von Bedarf und Produktionskosten angepaßt.
Aus dem Vergleich der Entwicklung des Werts anderer
Wirtschaftsgüter mit dem Wert von einem Kilogramm Brot
können wir also einen Anhaltspunkt für die Unredlichkeit
des Geldes ableiten.
Schauen wir uns einmal die Preise für Rohöl aus der Zeit
bis zu der sprunghaften massiven Preiserhöhung im Jahr 1973
an. Auch in jenen Jahren davor war der Rohölpreis schon spürbar
angestiegen: 1956 hatte sich der Iran nach einer längeren
Stillegung seiner Ölfelder mit British Petroleum auf einen
Preis von 513 Pennies pro Barrel Rohöl geeinigt. Damit hätte
man im selben Jahr in England 46 Kilogramm Brot kaufen können.
Bis 1968 war der Ölpreis dann schon auf 623 Pennies pro Barrel
gestiegen, womit man sich in jenem Jahr aber nur noch 27 Kilo
Brot hätte kaufen können. Im Oktober 1973, direkt vor der
massiven Preiserhöhung, kostete das Barrel schon 1.316 Pennies,
eine rein zahlenmäßig enorme Steigerung im Vergleich zu 1956.
Und doch entsprach diese Summe immer noch nicht dem damals
vereinbarten Vergleichswert von 46 Kilogramm Brot, sondern
hatte nur die Kaufkraft für 33 Kilo Brot.
Preis und Kaufkraft eines Barrels Rohöl
Datum |
Preis in Pennies |
Kaufkraft in Kilo Brot |
1956 |
512.5 |
100.8 |
1968 |
623.4 |
59.6 |
1/10/1973 |
1315.9 |
73.2 |
An Brot-Kaufkraft gemessen hatten die Iraner 16 Jahre lang
nur verloren. Über fast zwei Jahrzehnte mehr als 25 Prozent
der Kaufkraft. Doch als sie versuchten, einen Teil dieser
Verluste mit massiven Preiserhöhungen wieder zurückzugewinnen,
wurden sie als Erpresser der westlichen Welt angeprangert.
Und daran wird der grundlegende Konflikt überdeutlich, um
den es in diesem Buch geht:
Geld ist ein Dieb, es hat keinen verläßlichen Wert
mehr. Kein vernünftiger Mensch würde einem Dieb Vertrauen
schenken. Wir aber müssen diesem Geld täglich vertrauen.
Sobald wir die Mechanik der Turmuhr von Big Ben wieder repariert
haben, löst sich das Chaos auf, das aus der dauernden Verkürzung
der Zeiteinheit entstanden war. Die Normeinheit für Zeit ist
wieder konstant, und alle Handlungen und Abläufe lassen sich
wieder synchronisieren. Um wieder ein ehrliches Geldsystem
zu bekommen, müssen wir den grundlegenden Fehler in der Mechanik
unseres Währungssystems finden und reparieren, damit jede
Geldeinheit wieder ihren konstanten Wert erhält und beibehält.
[Nach oben]
Vertrauensverlust
Während der 60er und Anfang der 70er Jahre beschlossen einige
Bürger der gutsituierten britischen Mittelklasse, sich nach
der Pensionierung in Portugal niederzulassen. Dort waren luxuriöse
Villen für 15.000 Pfund Sterling zu kaufen; Lebensunterhalt
und Dienstleistungen einschließlich Hausmädchen, Gärtner und
Wartung des Swimming Pools machten ingesamt pro Jahr nur 2.000
Pfund aus. Also konnte man sich mit einer jährlichen Pension
von 4.000 Pfund solche Ausgaben bequem leisten. Noch dazu
das wärmere Klima und die Lebensweise in Portugal: Viele Ehepaare
freuten sich auf ihre goldenen Jahre in angenehmem Klima und
sorgenfreier Behaglichkeit.
Schon 1978 aber waren viele ältere Ehepaare dort mit dem
Problem konfrontiert, ihre großen Häuser und Gärten selber
unterhalten und oft auch den Swimming Pool selbst reinigen
zu müssen. Je älter die Menschen wurden, desto drückender
wurde die psychische und physische Belastung. Lebensunterhalt
und Wartung der Häuser waren auf jährlich 6.000 Pfund gestiegen.
Renten aber sind ein festes Einkommen. Statt sorgenfreier
goldener Jahre, sahen viele desillusionierte Pensionisten
finanzielle Probleme heraufkommen, manche waren sogar vom
finanziellen Ruin bedroht. Ihre sorgfältige Planung war katastrophal
danebengegangen. Viele beschuldigten ihre Makler, Anwälte
oder Banker, sie schlecht beraten und in ein finanzielles
Abenteuer gelockt zu haben, doch mußten sie sich anhören,
daß niemand den Ölpreisanstieg vom 16. Oktober 1973 und die
darauf folgende massive Inflation hätte voraussagen können.
Das ist aber einfach nicht wahr. Der New Yorker Börsenmakler,
der uns von dem Mann erzählte, der einen Ford kaufen wollte,
warnte uns bereits zehn Jahre vor dem dramatischen Ölpreisanstieg
vor den Gefahren der Inflation. Er war besorgt um das Chaos,
das folgen würde, nachdem dem U.S.-Dollar die Golddeckung
entzogen worden war, und er sagte die schwerwiegende Inflation
voraus, die dadurch verursacht wurde. Viele sahen diese Gefahr
nicht, doch war er bestimmt nicht der einzige Banker mit Weitblick.
Leider geben die meisten professionellen Ratgeber ihre Fehler
ungern zu, und unterliegen dem menschlichen Bedürfnis, nach
einer Ausrede zu suchen: Die OPEC (Organisation Petroleum-Exportierender
Länder) und ihre Aktivitäten boten sich in der Vergangenheit
dazu als Sündenbock geradezu an.
Der Gedanke, daß Inflation nur eine Folge des Ölpreisanstiegs
gewesen sei, ist einfach unlogisch. Wir haben bereits gesehen,
wie ein Mann, nachdem er den Preis für einen nagelneuen Ford
zwanzig Jahre lang gespart hatte, 1957 kaum mehr als einen
halben neuen Ford kaufen konnte. Er erlebte schon sechzehn
Jahre vor 1973 die üblen Folgen der Inflation. Auch wer mit
der Geschichte Deutschlands zu Anfang der 20er Jahre vertraut
ist, wird bestätigen, daß Inflation keine neue Erscheinung
ist _ und dem sollte sich jeder anschließen, der behauptet,
etwas von Wirtschaft und Wirtschaftsgeschichte zu verstehen.
Doch Viele ließen ihren Ärger an der OPEC aus, als sei sie
allein an der Inflation schuld.
Als die in den 60er Jahren entstandene OPEC am 16.
Oktober 1973 ihre Muskeln spielen ließ, war das für
den Westen ein großer Schock. Doch vom Standpunkt des
Iran aus gesehen, war diese erste Preiserhöhung durch
die OPEC gar nicht übertrieben. Der Preis für ein Barrel
Rohöl wurde von 1.316 auf 2.347 Pennies erhöht _ in
Zahlen ein massiver Anstieg, fast auf das Doppelte;
aber auf einen konstanteren Wert bezogen, auf den Brotpreis,
war es doch nur eine Preiserhöhung um knapp dreißig
Prozent gegenüber dem 17 Jahre zuvor, also 1956, zwischen
dem Iran und British Petroleum vereinbarten Gegenwert
von 46 Kilogramm Brot. Im Lauf der 17 Jahre von 1956
bis zu dem "schockierenden" 16. Oktober 1973 war der
Preis für ein Barrel Rohöl zwar um 803 Pennies von 513
auf 1.316 Pennies gestiegen, dabei aber auf den realen
Gegenwert von 33 Kilo Brot gefallen. Durch den Geldwertverfall
war der Iran im Lauf der Jahre durchschnittlich um mehr
als zehn Kilo Brot pro Barrel Rohöl gebracht worden.
Diese jahrelangen Verluste versuchte die OPEC jetzt,
im Herbst 1973, mit ihrer Preisanhebung um beinahe das
Doppelte wenigstens zum Teil wieder aufzufangen.
Datum |
Preis in Pennies |
Kaufkraft in Kilo Brot |
1956 |
513 |
46 |
1968 |
623 |
27 |
1.10.1973 |
1316 |
33 |
16.10.1973 |
2346 |
59 |
Preis und Kaufkraft eines Barrels
Rohöl
Dabei hatte British Petroleum die ganze Zeit durchaus in
gutem Glauben gehandelt. 1956 hatten die Briten 513 Pennies
vereinbart und diesen Betrag 1968 um 20 Prozent erhöht. Zum
1. Oktober 1976 stockten sie den Preis um weitere 100 Prozent
auf. Ich konnte keine Anzeichen dafür entdecken, daß British
Petroleum die Absicht hatte, die Iraner hinters Licht zu führen,
um sich selbst dadurch übermäßig zu bereichern. Dennoch verlor
der Iran letztlich bei diesem Geschäft. Diese Verluste führten
schließlich dazu, daß die Iraner die Integrität und Ehrlichkeit
ihrer westlichen Handelspartner in Frage stellten.
Im Gefolge der OPEC-Preiserhöhungen schraubten viele andere
Branchen die Preise ihrer Produkte und Dienstleistungen hoch
_ manche, weil mit dem Ölpreis ihre eigenen Kosten gestiegen
waren, andere, weil sich dazu unauffällig die Gelegenheit
bot. Der einfache Bürger spürte an jeder Ecke die einschneidende
Auswirkung der Inflation. Viele verlangten daraufhin höhere
Löhne. Sie sagten, OPEC oder die Regierung oder sonst jemand
sei schuld daran, und ignorierten, welchen Einfluß die Mechanismen
des Währungssystems und die Praktiken der Banken im Vorfeld
dieser Entwicklung gehabt hatten. Langfristig gesehen, gingen
sowohl der Westen als auch die Iraner als Verlierer aus dieser
Situation hervor. Anstatt gemeinsam eine bessere Welt zu schaffen,
gerieten sie in einen Konflikt. Und das System des unredlichen
Geldes ist dafür verantwortlich.
Inflation ist ein Grundproblem des westlichen Währungs- und
Banksystems. Sie beweist, daß irgendwo ein großer Fehler liegt.
Wir müssen herausfinden, wo, und dazu müssen wir die grundlegenden
Mechanismen dieses Systems kritisch betrachten. Zunächst also
müssen wir genau definieren, was wir unter 'Inflation' verstehen.
Es gibt zweierlei Gründe für Preiserhöhungen. Entweder ist
der Wert eines Produktes gestiegen, oder die Einheit, die
zum Festlegen des Preises benützt wird, hat an Wert verloren.
Der Wert eines bestimmten Produktes steigt aufgrund von Angebot
und Nachfrage, aufgrund seiner Eigenschaften oder wegen anderer
Markteinflüsse. Änderungen dieser Faktoren können freilich
umgekehrt, auch einen Preisverlust verursachen. Solche Preisschwankungen
ergeben sich jedoch aus den normalen Gegebenheiten des Marktes.
Anders bei Inflation: Inflation dagegen ist ein allgemeiner
Preisanstieg; alle Preise gehen hoch. In Preisziffern ausgedrückt
scheint der Wert von Sachen und Dienstleistungen gestiegen,
doch hat nur das Geld an Wert verloren. Man kann Inflation
demnach als Wertverlust des Geldes sehen und sie als reines
Währungsphänomen betrachten.
In unserem modernen Papiergeldsystem besteht keine
direkte Verbindung zwischen dem Drucken eines Geldscheines
und der Menge an Produkten oder Gütern, die man mit
ihm erwerben kann. Ohne gleichzeitigen Anstieg der Deckung
wird jede Erhöhung der Anzahl von Geldeinheiten automatisch
den Tauschwert aller bisher im Umlauf befindlicher Einheiten
verringern. Im Vergleich zu vorher braucht man dann
für bestimmte Waren oder Dienstleistungen mehr Geldeinheiten.
Mit anderen Worten: die Preise steigen.
[Nach oben]
Die falschen Maßnahmen
Zinsen werden von den "Währungshütern" _ Regierungen und
Zentralbanken _ gerne als Methode zur Steuerung der im Umlauf
befindlichen Geldmenge benützt. Zinsen sind der Betrag, den
der Kreditgeber, vom Kreditnehmer dafür verlangt, daß dieser
sein Geld benützen darf. Die Zahlung von Zinsen überträgt
bestehende Geldeinheiten von einer Person oder einem Geschäft
zum anderen. Eine derartige Umverteilung schafft keine neuen
Geldeinheiten, ist also an sich noch nicht inflationstreibend.
Jede Erhöhung der zu zahlenden Zinsen erhöht einfach die Anzahl
der Geldeinheiten, die der Kreditnehmer dem Geldverleiher
zu übertragen hat. Das erhöht natürlich Einkommen und Gewinn
des Verleihers und wird ihn dazu ermutigen, mehr zu verleihen.
Im Laufe dieser Betrachtung werden wir sehen, daß es die
neuen Nettokredite sind, die die im Umlauf befindliche Geldmenge
erhöhen. Und hierin liegt die eigentliche Ursache der Inflation.
Indem man die Zinsen erhöht, gibt man einfach den Verleihern
einen größeren Anreiz, mehr zu verleihen. (Dazu muß man nur
die letzte Periode hoher Zinssätze in Großbritannien betrachten:
Während dieser gesamten Zeitspanne waren die Briefkästen voll
mit Werbung von Banken und anderen Kredit-Instituten, die
Kredite, Kredite und nochmal Kredite anboten.) Kurzfristig
gesehen ist dieser Mechanismus für das Geldsystem zumindest
schädlich, über lange Zeit gesehen jedoch wirkt er zerstörerisch.
Höhere Zinssätze erhöhen die Kosten des Kreditnehmers und
verringern so die Summe, die ihm zum Ausgeben bleibt. Auch
seine Kunden (im großen und ganzen alle, in der einen oder
anderen Form, ebenfalls Kreditnehmer) haben weniger zum Ausgeben
und kaufen deshalb weniger, was wiederum das Einkommen des
Kreditnehmers verringert. Sein Gewinn wird von beiden Seiten
reduziert. Aus einer höheren Perspektive gesehen reduziert
sich die Produktion und damit der Umsatz von Gütern und Dienstleistungen,
des eigentlichen Reichtums der Gesellschaft, und dem Markt
wird immer mehr Kraft entzogen. Fleißige und redliche Geschäftsleute
müssen mitansehen, wie ihnen trotz aller Bemühungen der Teppich
unter den Füßen weggezogen wird _ durch Faktoren, über die
sie keine Kontrolle haben.
Zinserhöhungen rauben unserem Wirtschaftssystem die Vitalität.
Sie reduzieren nicht die Inflation, sondern zerstören die
Wirtschaft. Sie sind der falsche Weg zur Stabilität. Inflation
kann nur behoben werden, indem man die Produktion zusätzlicher
Geldeinheiten stoppt.
Da aber die Einforderung von Zinsen und ihre Zahlung
keine zusätzlichen Geldeinheiten produziert, müssen
wir die grundlegenden Mechanismen unseres Währungs-
und Bankensystems kritisch durchleuchten, um genau herauszufinden,
wo die Produktion neuer Geldeinheiten tatsächlich stattfindet.
Dann müssen wir die Ursache für ihre Neuproduktion ausschalten.
Das ist das Minimum an erforderlichen Maßnahmen, wenn
man darangehen will, den Fehler zu beheben und ein genaueres
und verläßlicheres System zu schaffen.
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Das System der Täuschung
Vor ungefähr hundert Jahren gründete ein Herr Goldschmied
die Jedermannbank. Sein erster Kunde, ein Herr Sicher,
kam mit einer Goldmünze, um sie zu deponieren. Herr
Goldschmied gab ihm eine Quittung dafür. Dann kam Herr
Knapp, um sich eine Goldmünze zu leihen, damit er von
Herrn Trainer ein Pferd kaufen konnte. Herr Trainer
nahm die Goldmünze von Herrn Knapp als Zahlung für das
Pferd entgegen, brachte sie zur Jedermannbank und deponierte
sie bei Herrn Goldschmied. Der gab auch ihm dafür eine
Quittung. Das war der übliche Verlauf von Transaktionen,
solange der Goldstandard als Währungssystem noch noch
bestand.
Das Eigenartige an dieser Geschichte ist aber, daß Herr Goldschmied
zwei Quittungen ausgestellt hatte, obwohl da nur eine Goldmünze
weitergereicht worden war. Beide Quittungen hatten Gültigkeit
auf dem Markt, aber es gab da nur eine Goldmünze, auf die
sich sowohl Herr Sicher als auch Herr Trainer berufen konnten.
Dem Markt wurde also auf diese Weise vorgetäuscht, daß es
eine Goldmünze mehr gab, als tatsächlich der Fall war. Auf
diese Weise entsteht ein System, das zur Vorspiegelung falscher
Tatsachen führt.
Gehen wir zurück zum Beginn des Bankwesens, um besser zu
sehen, wie es dazu kam. Unser heutiges System stammt direkt
von den Geldverleihpraktiken der frühen Goldschmiede ab. Angenommen,
wir lebten in den Zeiten, da der Handel noch in den Kinderschuhen
steckte, als der Goldstandard gerade erst Gestalt anzunehmen
begann, und Sie hätten Gold, das Sie sicher aufbewahren wollen.
Dann hätten Sie mehrere Möglichkeiten: Sie könnten es immer
bei sich tragen, was mit einer einzigen Goldmünze nicht weiter
problematisch oder gar gefährlich wäre. Wären Sie aber nun
ein reicher Goldschmied, der große Mengen Gold sicher aufzubewahren
hat, bräuchten Sie wahrscheinlich einen Tresor und könnten
sich ihn wohl auch leisten. Wenn Sie dagegen zwar zuviel Gold
hätten, um es dauernd bei sich zu tragen, aber doch nicht
genug, um einen eigenen Tresor zu rechtfertigen, dann wäre
es wahrscheinlich, daß Sie mit einem Goldschmied vereinbaren,
er möge es auf einem Brett in seinem Tresor sicher aufbewahren.
(Das italienische Wort für "Brett", banco, wurde in die anderen
europäischen Sprachen übernommen und bald als Begriff für
die ganze Institution verwendet; aus dem Brett im Lagerregal
des Geldwechslers und Geldverleihers ist die Bank geworden.)
Der Goldschmied würde Ihnen dafür eine Quittung ausstellen,
also einen gültigen Anspruch auf Ihr Gold in seinem Tresor.
So etwa wurden die Dinge zu Beginn der modernen Wirtschaftsgeschichte
gehandhabt. Der nächste _ logische _ Schritt war, daß die
Eigentümer der Quittungen des Herrn Goldschmied anfingen,
anstelle ihrer schweren Goldmünzen selbst, einfach diese leicht
einzustekkenden Bestätigungen als Tauschmittel zu benützen.
Das war ja auch sicherer, als das Gold auf den Markt mitzunehmen.
Um den Handel zu erleichtern, begannen Goldschmiede _ oder,
wie sie dann hießen, die Bankiers _, Standardquittungen für
bestimmte Goldmengen herauszugeben, wie sie üblicherweise
im Handel verwendet wurden. Wenn also jemand sein Gold zu
ihnen zur Aufbewahrung brachte, erhielt er dafür eine entsprechende
Anzahl dieser Standardquittungen.
Ob diese Quittungen auf dem Markt von dem Verkäufer einer
Ware nun als Zahlungsmittel akzeptiert wurden, hing ganz von
der Vertrauenswürdigkeit des betreffenden Goldschmieds beziehungsweise
Bankiers ab, er mußte bereit und in der Lage sein, jede dieser
Quittungen einzulösen. Wenn er Quittungen für mehr Gold ausgestellt
hätte, als er in seinem Tresor hatte, würde er sie eben nicht
mehr alle einlösen können, und entweder würden manche Besitzer
seiner Quittungen das ihnen zustehende Gold nicht bekommen,
oder alle Besitzer seiner Quittungen würden weniger Gold erhalten,
als dem vollen Wert ihrer Quittungen entspräche.
Ohne Anerkennung dieser grundlegenden Zusammenhänge ist kein
schriftlicher Anspruch und keine Quittung gültig. Wenn die
Deckung _ das Gold _ nicht vorhanden ist, dann ist der Nominalwert
eines Papiers bedeutungslos. Dann gerät auch die Seriosität
des Ausstellers dieser Quittung in Zweifel und damit gleichzeitig
auch der durch die Quittung ausgedrückte Anspruch oder Wert.
Dieser Zweifel schließlich hat in der Folge Auswirkungen auf
die Akzeptanz des Papiers auf dem Markt.
[Nach oben]
Wertlose Ansprüche
Es gibt viele Faktoren, die die Quittung des Goldschmieds
im Wert mindern können. Da gibt es zum einen den Diebstahl,
der dazu führt, daß nicht mehr genug Gold da ist, um alle
berechtigten Ansprüche zu befriedigen. Einen echten Einbruchdiebstahl
kann man dem Goldschmied nicht persönlich anlasten. Es lassen
sich aber vier problematische Situationen anführen, die aus
vorsätzlichen Handlungen des Goldschmieds herrühren könnten:
- Er könnte für nicht erhaltenes Gold Quittungen ausgestellt
und diese selber auf dem Markt für persönliche Einkäufe
benützt haben. (Geld-Fälschung)
- Er könnte einen Teil des Goldes, für das er bereits
Quittungen ausgestellt hatte, für seine eigenen Geschäfte
auf dem Markt benützt haben. (Untreue, Unterschlagung)
- Er könnte Quittungen geschrieben haben, für die er
kein Gold erhalten hatte, und sie an Dritte ausgeliehen
haben. (Betrug)
- Er könnte das Gold selbst, für das er bereits Quittungen
ausgestellt hatte, einem Dritten geliehen haben. (Das übliche
Kreditgeschäft)
Jede dieser Handlungen hätte eindeutig zu einem Mißverhältnis
geführt zwischen der tatsächlich zum Einlösen der Quittungen
verfügbaren Menge an Gold und der Menge, für die solche
Quittungen ausgestellt wurden. Bei jedem dieser Fälle
hätte es sich um eine vorsätzliche und eigennützige
Handlung des Goldschmieds gehandelt, und bestimmt haben
manche Goldschmiede früher tatsächlich versucht, sich
auf diese Weise zu bereichern.
Natürlich ist es schwierig zu wissen, wann ein Goldschmied
so etwas tut. Wenn man keinen Zugang zu seinen Geschäftsbüchern
hat, sind Veränderungen in seinen persönlichen Ausgaben der
einzige Hinweis dafür, daß er vielleicht das Gold seiner Kunden
zum eigenen Vorteil mißbraucht. Deshalb mußten Anleger damals
sehr darauf achten, ob sich der Lebensstil ihres Goldschmieds
auffällig änderte. Wurde ein solcher verdächtiger Anstieg
seiner Einkäufe beobachtet, konnte man die Liquidität des
Goldschmieds nur prüfen, indem man alle von ihm ausgestellten
Quittungen gleichzeitig präsentierte. Konnte er sie einlösen,
war seine Vertrauenswürdigkeit wieder hergestellt.
Kredite wurden und werden aber gerne vertraulich behandelt.
Deshalb war es immer schon schwierig, aus Veränderungen der
Verhaltens- und Lebensweise eines Goldschmieds herauszulesen,
ob er das Gold anderer Leute verlieh oder Quittungen ausstellte,
die ohne die entsprechende Golddeckung waren. Solche Transaktionen
blieben ja eine Sache der Diskretion zwischen dem Schuldner
und dem Goldschmied, und falls sich der Goldschmied umsichtig
verhielt, war eine unmittelbare Veränderung höchstens im Konsumverhalten
des Schuldners feststellbar. (Bankiers haben sich ihre Reputation
für umsichtiges, seriöses und kluges Verhalten nur deshalb
erarbeitet, um einen von Angst und Mißtrauen ausgelösten Ansturm
auf die Einlagen zu verhindern. Denn dann müßten sie beweisen,
daß sie noch in der Lage sind, alle ausgestellten Quittungen
einzulösen.) Trotz alledem hätte der Goldschmied in einem
der oben angesprochenen vier Fälle sowohl das in ihn gesetzte
Vertrauen mißbraucht, als auch sich persönlich bereichert.
In der Kreditvergabe liegt der Ursachenkern der Mißverhältnisse
und Spannungen, wie wir Sie heute auf den Geldmärkten erleben.
Die von der Praxis des Geldverleihs ausgehenden Auswirkungen
können sehr tückisch sein. Also sollten wir diese Praxis genauer
untersuchen.
Eine der ersten Folgen einer Anleihe ist, daß man den Markt
_ fälschlicherweise _ glauben macht, es stünde mehr Gold zur
Verfügung als das real der Fall ist. Sehen wir uns noch einmal
an, was geschah, als Herr Knapp ein Pferd kaufte: Herr Trainer
und Herr Sicher hatten je eine Quittung für dieselbe Goldmünze
_ eine Verdrehung von Tatsachen. Diese Verdrehung wird durch
eine allgemein übliche Buchhaltungspraxis verschleiert:
Deposits: |
2 Goldmünzen |
Guthaben: |
1 Goldmünze |
|
Loans: |
1 Goldmünze |
|
2 Goldmünzen |
|
2 Goldmünzen |
Die Bilanz scheint damit ausgeglichen und in Ordnung, obwohl
Herr Goldschmied in Wirklichkeit für mehr Goldmünzen Quittungen
ausgestellt hatte, als in seinem Besitz waren. Diese Unstimmigkeit
wäre klar zutage getreten, hätte er die Bilanz folgendermaßen
geschrieben:
Erhalt quittiert: |
2 Goldmünzen |
Vorhanden: |
1 Goldmünzen |
Es ist in diesem Zusammenhang völlig gleichgültig, welche
Art von Sicherheit eine Bank zur Deckung eines ausgegebenen
Kredits hält. Eine Goldmünze wird es bestimmt nicht sein,
sonst wäre der Kredit gar nicht nötig. Auch wird die Deckung
nicht zur Goldmünze werden; man kann höchstens eine Goldmünze
dafür eintauschen. Dabei wechselt nur eine bestehende Goldmünze
den Besitzer, eine weitere Goldmünze bringt ein solcher Tausch
aber nicht hervor.
Nachdem jedoch durch den Geldverleih der Eindruck erweckt
wird, es existierten ganz real zwei Goldmünzen, muß in der
Geldverleihfunktion des Bankensystems ein Fehler liegen.
Es ist die Methode der Kreditvergabe durch Banken selbst,
die eine Illusion, d.h. die Vorspiegelung falscher Tatsachen
erzeugt. Das System an sich ist unredlich. Dennoch ist die
Kreditvergabe selbstverständliches Alltagsgeschehen geworden
und wird als durch und durch rechtmäßig anerkannt.
[Nach oben]
Ungültige Ansprüche _ rechtmäßig gewendet
Ein Mann in New Jersey versuchte einmal, den Markt
für Sojabohnenöl zu seinen Gunsten zu manipulieren,
und zwar mit ähnlichen Methoden wie den im normalen
Bankverkehr üblichen. Er kaufte und bezahlte einen Speichertank
voll Sojaöl. Dann lud er seinen Banker ein, das gebunkerte
Öl auf Quantität und Qualität zu prüfen, und borgte
sich beim ihm gegen diese Sicherheit den entsprechenden
Betrag. Damit kaufte er sich ein Terminpapier über die
Belieferung mit der gleichen Menge Sojaöl. Dann pumpte
er das Öl von seinem ersten Tank in einen anderen und
füllte den ersten mit Wasser, damit er immer noch voll
aussah. Sein Kredit machte ihm keine Sorgen; der war
ja durch das Terminpapier gedeckt.
Nun lud er wieder seinen Banker zum Qualitäts- und Quantitätstest
ein und holte sich wieder einen Kredit _ gegen den neuen Tank
als Sicherheit. Er kaufte ein weiteres Terminpapier und wiederholte
den Vorgang in der Hoffnung, den Markt für Sojabohnenöl zu
beherrschen und die Preise zu seinem Vorteil hochzutreiben.
Dabei hatte er jeweils den Inhalt der ersten Tankfüllung weggepumpt
und ihn mit dem rechtsgültigen Versprechen ersetzt, die gleiche
Menge Öl zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft zu liefern.
Eventuell Bild? Bild 3 Die Sojaöl-Spekulation
Genau das macht eine Bank mit unseren Einlagen. Sie werden
buchstäblich weggepumpt, und stattdessen erhalten wir einen
Anleihevertrag. Anleiheverträge sind Versprechen, dem Verleiher
bis zu einem bestimmten Termin einen bestimmten Betrag zurückzugeben.
Der Sojaölmann in New Jersey flog schließlich auf, kam vor
Gericht und wurde wegen Betrugs verurteilt. Doch Banker, die
im Grunde das gleiche mit unserem Geld tun, gelten weiter
als gesetzestreue Geschäftsleute _ und sind es tatsächlich
auch. Ihre Täuschungshandlung ist längst legitimiert. Diese
Legitimierung geschah vor so langer Zeit, daß es fast keinem
heutigen Banker und Bankkunden mehr bewußt ist. Heute gelten
Bankiers als wichtige Säulen der Gesellschaft. Keiner der
mir bekannten angesehenen Wirtschaftswissenschaftler oder
Finanzexperten hat je die Gültigkeit des Geldverleihmechanismus
unseres Bankensystems in Frage gestellt. Von allen wird er
als Tatsache an- und hingenommen.
Dieses System der Täuschungen zeigt sich dann von seiner
schlimmsten Seite, wenn Banken mit der Behauptung gegen Lohnerhöhungen
argumentieren, diese seien inflationstreibend. Solche Kommentare
klingen dann wie Hohn in den Ohren von Lohn- und Gehaltsempfängern,
die die Erhöhungen oft nur verlangen, um die Kaufkraft wiederzuerlangen,
die ihnen aus ihren Lohntüten gestohlen wurde. Sie erleben
nur, daß, aus Gründen die sie meist nicht ganz verstehen,
ihr Verdienst ihren Lebensstandard nicht mehr recht gewährleisten
kann. Diese Forderungen nach höheren Löhnen und Gehältern
führt dann auch immer wieder zu Konflikten und Arbeitskämpfen.
Daran können wir wieder sehen, wie unredliches Geld Keile
zwischen ehrbare Menschen treibt und sie gegeneinander aufhetzt.
Und dann prangern Banker und Industriellen auch noch die 'Habgier'
der Arbeitnehmer an. Allerdings können wir jetzt sehen, daß
es eben nicht die Habgier der Arbeitnehmer ist, die die Kaufkraftverluste
verursacht, sondern die Handlungsweise der Banken. Die Ungerechtigkeit
solcher Kommentare von Unternehmer- und vor allem Bankerseite
ist vor diesem Hintergrund schlichtweg empörend.
[Nach oben]
Verdrehte Logik
Wie wir am Beispiel der Goldmünzen im vorigen Kapitel gesehen
haben, wird ein Geldsystem dann unredlich, wenn einer Methode
zur Aufbewahrung und Verteilung von Geld ein Geldverleihmechanismus
aufgepfropft wird. Und das sollte so eigentlich nicht von
der Gesetzgebung sanktioniert werden. Indem man diese Täuschung
gesetzlich salonfähig macht, stellt man jede Logik auf den
Kopf. Daß institutionalisierter Geldverleih überall betrieben
und akzeptiert wird, will uns glauben machen, daß er ein vernünftiger
Mechanismus sei. Doch basiert er grundsätzlich auf der Verfälschung
von Tatsachen. Er ist unredlich und verdient an sich keinerlei
Schutz durch Gewohnheitsrecht oder gar parlamentarisch bestimmtes
Gesetz.
Der geschilderte Mechanismus des Geldverleihens wird aber
nach wie vor vom Gesetzgeber unterstützt, und der Umfang der
Verfälschungen und Täuschungen nimmt ständig zu. Das Ausmaß
der Abweichungen läßt sich ermessen, wenn man die Summe aller
ausstehenden Kredite aller Banken eines jeweiligen Bankensystems
errechnet und davon das tatsächlich liquide Kapital dieser
Banken abzieht. Jedesmal, wenn die Banken die Nettosumme ihrer
Kredite erhöhen, steigt damit auch die Summe der Abweichungen
an, und jede umlaufende Geldeinheit wirddementsprechend an
echter Kaufkraft verlieren.
Dieser Wertverlust müßte eigentlich auf dem Markt sofort
spürbar sein, ist es aber nicht. Selbst unter dem Goldstandard
blieben Preise beispielsweise auch zu Zeiten stabil, in denen
die Täuschung laufend praktiziert wurde. Verborgen vor der
Öffentlichkeit tat sich eine immer weitere Kluft auf zwischen
der Summe der Ansprüche auf eingelegtes Gold und der verfügbaren
Menge an Gold zur Begleichung der Ansprüche. Und mit jedem
ausgegebenen Kredit wurde die Kluft breiter. Nur wußten die
Eigentümer der Ansprüche nichts davon, sondern glaubten, sie
könnten jederzeit ihre Papiere für soviel Gold eintauschen,
wie ihnen darauf versprochen war. Solange dieser Glaube unerschüttert
blieb, wurde jedes Papier so behandelt, als ob es die darauf
versprochene Menge Gold sei.
Das Vertrauen der Kunden wurde damit zum eigentlichen Kapital
einer erfolgreichen Bank. Es war unerheblich, daß eine Bank
zu keiner Zeit alle von ihr ausgestellten Papiere hätte einlösen
können, falls sie zur gleichen Zeit präsentiert worden wären.
Wichtig war nur, daß einzelne Ansprüche gedeckt werden konnten,
wenn deren Eigentümer sie vorlegten. Man richtete sogar Institutionen
ein, die Anleger beruhigen solllten, daß ihre Anlagen sicher
seien _ sogenannte Einlagenversicherungen. Dank der Existenz
dieser Versicherungen konnten Geldverleiher den Umfang ihrer
Verfälschungen folgenlos weiter vergrößern, und trotz des
vermehrten Ungleichgewichts blieben die Preise stabil.
Gold hatte einen realen Mindest-Tauschwert: Man brauchte
es als wichtigstes Mittel zum Tausch und als Rücklage für
spätere Geschäfte. Gold war selten und schwer zu finden; es
bedurfte eines großen Aufwands, es zu schürfen und aufzubereiten.
Es wurde nicht für weniger verkauft, als der Aufwand, es zu
produzieren, gekostet hatte. Wenn die Nachfrage nach Gold
fiel, fiel auch sein Tauschwert, also wurde weniger davon
produziert. Sobald weniger produziert wurde, stand dem Markt
weniger Gold für seine Zwecke zur Verfügung, und sein Wert
begann wieder zu steigen. Diese Faktoren sorgten für eine
Preisuntergrenze, unter die selbst massivste Ungleichgewichte
den Wert von Gold nicht drücken konnten.
Deshalb existierte auch ein Mindestwert, unter den die Papieransprüche
auf Gold _ in den meisten Fällen in Form von Geld _ nicht
fallen konnten, außer ihre Besitzer hätten erkannt, daß nicht
mehr jedes Papier für die Menge Gold eingetauscht werden konnte,
die darauf versprochen war. Nur dann könnte der Tauschwert
dieser Papiere zusammenbrechen.
Dieser Gefahr stand das westliche Währungs- und Bankensystem
in den 30er Jahren gegenüber. Wären damals die wertlosen Papiere
für ungesetzlich und damit für ungültig erklärt worden, so
wäre der Tauschwert von Gold entsprechend der Diskrepanz zwischen
Papiergeld und Golddeckung gestiegen. Sobald der Wert von
Gold _ oder in jenem Fall Geld _ gestiegen wäre, wäre weniger
davon zum Tausch gegen Güter und Dienstleistungen nötig gewesen
als vorher. Die Preise wären also gefallen. Die Kaufkraft
der Besitzer von Gold und von berechtigten Ansprüchen auf
Gold wäre gestiegen; die bestehende Menge Gold hätte dadurch
einem größeren Volumen an Geschäften genügt. Doch das wurde
verhindert, indem man die wertlosen Ansprüche _ das Geld,
das in Wirklichkeit nicht mehr genügend durch Gold gedeckt
war _ als rechtmäßig anerkannte und stattdessen das Gold als
Zahlungsmittel aus dem Verkehr zog.
Die Probleme, denen die Währungshüter und das Bankwesen damals,
in den späten 20er und weiter dann in den 30er Jahren, gegenüberstanden,
waren eine direkte Folge der gängigen Geldverleihpraxis der
Banken. In Großbritannien beispielsweise war bis dahin ein
'Pfund Sterling' die Bezeichnung für ein Papier, das einem
legalen Anspruch auf eine Viertelunze Gold entsprach. Sowohl
die privaten Geschäftsbanken als auch die Bank von England
gaben Pfundnoten heraus, und überall wurden diese als Einlagen
und Sicherheit akzeptiert, als ob es tatsächlich das darauf
versprochene Gold selbst wäre. Und gleichermaßen verliehen
die Nationalbank sowie Geschäftsbanken ihre Pfundnoten auch
wieder. Die Akzeptanz als Einlage gegen Quittung, und die
Verwendung für Kredite, potenzierte den Anstieg der Ungleichgewichts
nur noch. Die Mechanik des Geldverleihs verschleierte sowohl
die dem Markt verfügbare Menge an Gold als auch die Summe
der gegen Gold ausgestellten gültigen Ansprüche.
Es dauerte lange, bis genügend Leute den Verdacht schöpften,
daß sie ihre Papiere vielleicht nicht gegen die Menge Gold
würden einlösen können, die darauf genannt war. Und bis dahin
hielt sich der Tauschwert des Goldes wie auch der Ansprüche
auf Gold sehr stabil um den Mindestwert, unter den Gold nicht
zu drücken war. Als schließlich genügend Leute den wahren
Sachverhalt ahnten, handelten sie aus natürlichem Eigeninteresse:
sie wollten nicht die Papiere, das Versprechen für die Zukunft,
sondern sie wollten ihr Gold. Die britischen Banker mußten
der Wahrheit ins Auge blicken: Die Banken hatten zu wenig
Gold, um alle ausgestellten Papiere einzulösen. Großbritannien
stand vor dem Zusammenbruch seines Währungssystems.
In den Vereinigten Staaten war die Situation ähnlich, nur
noch verschlimmert dadurch, daß Aktien als Sicherheiten für
Kredite angenommen worden waren. Dadurch, daß Banken ihren
Kunden für Aktienkäufe bis zu 90 Prozent des Aktienpreises
als Kredit zur Verfügung stellten, entstand ein 'Angebots-Hebel',
der die Aktienkurse immer höher trieb. Auch dann blieben die
Kreditgeber bereit, für jeden Aktienkauf 90 Prozent des Kaufpreises
vorzustrecken. Bald stiegen die Aktienkurse unhaltbar hoch,
der Angebots-Hebel aber trieb sie noch weiter. Allmählich
dämmerte es selbst den größten Optimisten, daß die Kurse den
eigentlichen Wert der Aktien weit überstiegen hatten, und
kauften einfach nicht mehr. Der Aktienmarkt brach zusammen.
Der aufgeblähte Wert der Kreditdeckung zerplatzte. Viele Aktionäre
_ sowohl Einzelpersonen als auch Firmen und andere Institutionen
_ konnten ihre Aktien nicht mehr verkaufen, um die dafür aufgenommenen
Kredite zu decken. Die Kreditgeber erkannten den Großteil
ihrer Deckung als wertlos. Es begann ein 'Fliegensterben'
unter den Börsenmaklern, die Kredite vermittelt hatten, und
unter den dahinterstehenden Banken.
So standen Anfang der 30er Jahre sowohl Großbritannien als
auch die Vereinigten Staaten vor einem Währungszusammenbruch.
Die Behörden beider Länder hätten erkennen müssen, daß die
dem Geldverleihsystem ureigene Täuschung der Grund dafür war.
Sie hätten diese Mechanismen offenlegen müssen und damit dem
System zur Gesundung verhelfen können. Stattdessen argumentierten
sie, daß jemand, der bestimmte Papiere heute zu einem bestimmten
Wert akzeptierte, sie auch morgen zu einem ähnlichen Wert
akzeptieren müßte. Also ging man daran, das Vertrauen in den
Tauschwert der wertlosen Papiere wiederherzustellen. Beide
Regierungen beschlossen, die papierenen Ansprüche zu legitimieren,
indem sie Geld zum einzig legalen Zahlungsmittel deklarierten.
Außerdem strichen sie die Option, für Geld die entsprechende
Menge Gold einzutauschen, und verboten Gold selbst als gesetzliches
Zahlungsmittel. Dem Staat allein verblieb das Recht auf den
Tausch von Geld gegen Gold und umgekehrt.
Auf diese Weise wurden die Klugen und die Vorsichtigen, die
sich ans Gold gehalten hatten, bestraft, und die Spekulanten
waren wieder einmal in letzter Minute gerettet. Unredlichkeit
wurde belohnt, Rechtschaffenheit bestraft.
Dennoch hätte selbst die Legitimierung des Papiergeldes die
Währungsprobleme der Regierungen lösen können, hätte man begonnen,
wenigstens die weitere Produktion wertloser Papiere zu stoppen.
Aber nichts wurde unternommen, um die Geldverleihpraktiken
der Banken zu unterbinden, und wertlose Papiere wurden weiterhin
ausgestellt. Nur war es jetzt noch schlimmer: die Einlage
sah genauso aus wie die Quittung dafür, denn beide waren nichts
weiter als Zusicherungen über Pfund Sterling und Dollars.
Es ist und bleibt schwierig, Einlage und Papiergeld zu unterscheiden.
Da ein klares Verständnis dafür fehlt, wie dieser Mechanismus
abläuft, scheint die tatsächlich verfügbare Geldmenge organisch
zu wachsen; manche würden sogar sagen: geheimnisvoll. Es ist
aber überhaupt nichts Geheimnisvolles daran. Indem man das
System zur Aufbewahrung und Verteilung von Geld mit den Mechanismen
des Geldverleihs überlagerte, wurde das Auseinanderklaffen
von Schein und Sein legitimiert und institutionalisiert. Auf
diese Weise haben wir die Entstehung eines Währungs- und Bankensystems
ermöglicht, das durch seine tagtäglichen Handlungen die Währung
ständig entwertet.
[Nach oben]
Papiergeld
Wenn wir nun zu Herrn Goldschmied und seiner Jedermannbank
zurückkehren und die Goldmünze durch einhundert Dollar in
Papiergeld ersetzen, so wird sich zeigen, warum hinter unserem
gegenwärtigen westlichen Papiergeldsystem keine greifbare
Substanz steht. Und wir werden entdecken, warum dieses System,
wenn es nicht geändert wird, zusammenbrechen muß. Mit der
Papiergeldeinlage wird es zur gleichen Täuschung kommen _
zwei Quittungen gegen eine Einlage _ wie damals, als Gold
noch der Standard war.
Buchhalterische Bilanz
Bar: |
$ 100 |
Einlagen: |
$ 200 |
Kredite: |
$ 100 |
|
|
$ 200 |
|
$ 200 |
Tatsächliche Verhältnisse
Quittungen ausgestellt: |
$ 200 |
Effektiv vorhanden: |
$ 100 |
Doch tritt das nicht so einfach in Erscheinung. Wir lassen
uns nämlich durch unser Papiergeld-System leicht verwirren;
da sieht die Einlage genauso aus wie die Quittung _ normalerweise
nur ein Stück Papier, auf dem die Anzahl der Geldeinheiten
vermerkt ist. Die Logik unseres früheren Beispiels gilt also
auch für Papiergeld: Die Bilanz der Bank sieht ausgeglichen
aus, aber die Anzahl der in Umlauf gekommenen Geldeinheiten
hat sich tatsächlich verdoppelt.
Ebenso verwirrend ist der Versuch, den Wert unseres gegenwärtigen
Papiergeldes zu bestimmen. Es steht ja keine greifbare, meßbare
Substanz mehr hinter einer Geldeinheit. Auch nicht hinter
den durch einen Kredit geschaffenen neuen Geldeinheiten. Und
hinter den Einlagen in Form dieser Geldeinheiten steht natürlich
auch keine echte Substanz. Es gibt keine Garantie dafür, daß
man Geldeinheiten gegen eine bestimmte Menge von irgend etwas
Realem eintauschen kann. Ihr Wert beruht allein darauf, daß
sie das einzige gesetzlich gültige Zahlungsmittel sind. Sie
stellen tatsächlich einen Anspruch auf alles dar, was auf
dem Markt zum Verkauf oder als Dienstleistung angeboten wird.
Die Schwierigkeit besteht darin, daß sich sowohl die Geldmenge
als auch die Mischung von Gütern und Dienstleistungen, gegen
die sie eingetauscht werden könnte, dauernd ändert. Also hat
man wenig Gelegenheit, die eine genau mit der anderen zu vergleichen.
Wäre der Geldbestand festgelegt, würde der Wert des Geldes
steigen, sobald die Nachfrage danach steigt. Und wenn die
Nachfrage nachließe, würde auch der Wert des Geldes sich verringern.
Es gäbe eine Mindestnachfrage nach Geldeinheiten, die der
Mindestmenge an Geschäftstransaktionen entspräche, mit der
die Gesellschaft überleben kann. Folglich hätte jede Einheit
unseres Papiergeldes wenigstens einen Mindestwert. Jede Geldeinheit
hätte damit aber auch einen Höchstwert, nämlich die Höhe der
Kaufkraft, die Sparer veranlassen würde, ihr Geld abzuheben,
um die größere Kaufkraft zu nützen. Die Abhebungen würden
gleichzeitig auch die im Umlauf befindliche Geldmenge erhöhen
und damit wiederum deren Tauschwert oder Kaufkraft absenken.
So wird also deutlich, wie eine festgelegte Geldmenge über
eine Kaufkraftspanne zwischen Mindest- und Höchstwert verfügen
würde. Im Lauf der Zeit würden die Wertschwankungen einer
Geldeinheit innerhalb dieser ursprünglichen Spanne immer kleiner,
und schließlich wäre irgendwann eine gewisse Stabilität erreicht.
Leider aber ist die Geldmenge nicht festgelegt. Neue Geldeinheiten
werden praktisch nach Bedarf produziert. Banken schaffen neue
Geldeinheiten mit jedem neuen Nettokredit. Das ist schließlich
Zweck ihres Geschäftes. So produzieren sie im Rahmen ihrer
normalen Geschäftstätigkeit eine stetige Aufblähung der verfügbaren
Geldmenge. Regierungen hätten eigentlich die Aufgabe, gerade
diejenigen Aktivitäten der Banken zu steuern, durch die mehr
Geld geschaffen wird. Die gegenwärtigen Kontrollmechanismen
sind jedoch weitgehend wirkungslos.
[Nach oben]
Gesetzliche Mindestreserven
Der Hauptmechanismus, mit dem Regierungen versuchen, den
Geldumlauf zu steuern, ist die sogenannte Mindestreserve,
eine gesetzlich institutionalisierte Auflage, nach der jede
Bank verpflichtet ist, einen bestimmten Anteil ihrer Einlagen
nicht wieder als Kredite auszugeben. Aber wiederum handelt
es sich nur um Papierwerte: Mindestreserven sind Schuldscheine
von Kreditnehmern, von denen am wenigsten anzunehmen ist,
daß sie zahlungsunfähig werden. Deshalb lassen sich solche
Schuldscheine leicht verkaufen oder notfalls schnell in Bargeld
umwandeln.
Diesem System nach dürfte eine Bank theoretisch nur in dem
Maß neue Geldeinheiten schaffen, wie sie über die gesetzliche
Mindestgrenze hinaus an Reserven besitzt. Wenn eine Bank beispielsweise
100.000 Pfund an Einlagen hätte, dann müßte sie bei einer
gesetzlich geforderten Mindestreserve von 20 Prozent 20.000
Pfund als Mindestreserve einbehalten. Wenn die Bank also tatsächlich
30.000 Pfund solcher gesicherter Einlagen hätte, dürfte sie
die überschüssigen 10.000 Pfund ihren Kunden als Kredite zur
Verfügung stellen und würde damit neue Kreditkonten schaffen.
Wenn wir uns das Bankensystem nun aber als Ganzes betrachten,
entdecken wir sofort eine kritische Schwäche: Das System kann
in Wirklichkeit nämlich viel mehr Geld schaffen, als es an
überschüssigen Reserven besitzt.
Nehmen wir dazu an, daß alle überschüssigen Reserven bei
einer einzigen Bank lägen, Barclays zum Beispiel, und daß
alle anderen Banken Einlagen annehmen würden und davon nur
unter strikter Beachtung der Auflage der gesetzlichen Mindestreserve
Kredite gewähren würden. Wenn die Barclays Bank also die erwähnten
10.000 Pfund überschüssige Reserve hätte und neue Geldeinheiten
schaffte, indem sie die 10.000 Pfund an mich ausliehe; wenn
ich dann zum Beispiel in das Kaufhaus Harrods ginge und das
geliehene Geld dort ausgeben würde und wenn Harrods die eingenommenen
10.000 anschließend bei der Midland Bank einzahlen würde _
dann hätte Midland eine neue Einlage von 10.000 Pfund, von
denen sie 2.000 als Mindestreserve einbehalten müßte und 8.000
als Überschuß an einen ihrer Kunden ausleihen könnte. Der
Kunde wiederum würde den Kredit auch ausgeben, und die 8.000
würden danach bei Lloyds Bank eingezahlt, die davon 1.600
einbehalten müßten und die restlichen 6.400 wieder verleihen
könnten. Dieser Vorgang ließe sich wiederholen, bis etwa 50.000
neue Geldeinheiten geschaffen wären.
Obwohl also jede einzelne Bank auf die Höhe ihrer überschüssigen
Reserven beschränkt ist, wenn sie neue Geldeinheiten in Umlauf
bringt, kann doch das System als Ganzes das Vielfache davon
an neuem Geld produzieren.
Übrigens bedeuten Mindestreserven auch nur eine relative
Beschränkung, denn sie sind selbst auch Kredite. Viele Arten
von Staatspfandbriefen und -anleihen gelten als Mindestreserven,
und in manchen Fällen auch Wechsel. Staatsanleihen sind Quittungen,
die die Regierung für Geld ausstellt, das ihr geliehen worden
ist. Die Regierung benützt dieses Geld, um ihren Verpflichtungen
nachzukommen. Wechsel sind ebenfalls Anleihen und werden vom
Kreditnehmer dazu verwendet, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
In beiden Fällen kommt das Geld sofort wieder in Umlauf, wird
wieder bei einer Bank eingezahlt und steht dann wieder für
Kredite zur Verfügung. Die Instrumente der gesetzlichen Mindestreserve
bedeuten keinen Schutz gegen das System der Täuschung, sondern
sind selbst Teil der Verfälschung, die sie eigentlich zu kontrollieren
hätten.
Die einzige Beschränkung, welche die Institution der gesetzlichen
Mindestreserve dem Bankensystem tatsächlich auferlegt, liegt
in den Kreditbedingungen der Aussteller von Staatsanleihen
und ähnlichen Mindestreserve-Papieren. Solange der Appetit
dieser Aussteller nach Geldmitteln unersättlich ist, besteht
jedoch überhaupt keine Grenze.
[Nach oben]
Die Geldproduktion der Zentralbanken
Zentralbanken produzieren neue Geldeinheiten auf mehreren
Wegen. Am eindeutigsten ist natürlich das Drucken und Prägen
neuer Scheine und Münzen, das in den meisten Ländern allein
Sache der Zentralbank ist. Neue Scheine oder Münzen werden
in Umlauf gebracht _ entweder um alte, abgenutzte oder beschädigte
zu ersetzen oder um das System mit ausreichend Bargeld zu
versorgen, damit der Bedarf für die tagtäglichen Transaktionen
des Marktes gedeckt bleibt. Der Bedarf an Bargeld ist je nach
Markt unterschiedlich. Manche Firmen bezahlen beispielsweise
Ihre Arbeiter, zum Teil sogar ihre Angestellten immer noch
mit Lohntüten, andere mit Schecks oder Überweisungen. Manche
Geschäfte akzeptieren Kreditkarten oder Schecks, andere nur
Barzahlung. Jeder Markt ist anders.
Im allgemeinen aber müssen zwischen sechs und acht Prozent
der gesamten Geldmenge eines Landes als Bargeld in Form von
Noten und Münzen vorhanden sein, um die Abläufe des Marktes
in Fluß zu halten. Der große Rest kann in der Kontoführung
von Banken als Zahlen stehen, die den Einlagen im Konto des
jeweiligen Kunden entsprechen. Sowie durch die Verleihfunktion
der Banken aber die Geldmenge aufgestockt wird, müssen die
betreffenden Zentralbanken immer mehr Geld drucken und prägen,
nur um das genannte Verhältnis von sechs bis acht Prozent
zu halten.
Auch durch ihre sogenannten "Offenmarkt-Aktivitäten" bringen
Zentralbanken Geld in Umlauf. Dabei kaufen und verkaufen sie
die Anleihen und Pfandbriefe ihres Staates. Wenn zum Beispiel
eine Zentralbank auf dem 'offenen Markt' Staatsanleihen oder
Schatzanweisungen kauft, stellt sie damit nicht dem Staat
Bargeld zur Verfügung, sondern dem vorigen Eigentümer der
Papiere, der das Geld dann wohl entweder ausgibt oder wieder
in irgendeiner Form anlegt. Ein solcher Kauf hat also den
Zweck, die wirtschaftlichen Aktivitäten des Marktes anzukurbeln.
Der Verkauf von Anleihen und Schatzanweisungen dagegen nimmt
Geld vom Investor, reduziert damit die für Investitionen und
Ausgaben verfügbaren Beträge und bremst auf diese Weise die
wirtschaftlichen Aktivitäten des Marktes, vorausgesetzt, die
Zentralbank gibt es nicht für eigene oder Staatszwecke wieder
aus.
Wenn die Zentralbank neue Geldeinheiten schaffen muß, um
Staatsanleihen oder Schatzanweisungen zu kaufen, erhöht sich
die Geldmenge. Wenn sie dazu keine neuen Geldeinheiten in
den Verkehr bringen muß, bewegen die Handlungen der Zentralbank
bestehende Geldeinheiten einfach von einer Stelle zu anderen,
und regen so Spareinlagen an (womit das Geld für gewisse Zeit
dem Markt entzogen ist), oder sie bewirken, daß sie von Sparkonten
abgehoben und ausgegeben oder investiert werden.
Auch Devisentransaktionen können zur Produktion neuer Geldeinheiten
durch Zentralbanken führen. Wie das vor sich geht, kann man
sich vorstellen, wenn man sich in die Zeit zurückversetzt,
als Zentralbanken noch gegenseitig Ansprüche auf ihr Gold
erheben konnten. Nach dem in Bretton Woods, New Hampshire,
USA, Anfang der 40er Jahre geschlossenen Abkommen der internationalen
Zentralbanken hatten ja Einzelpersonen wie auch Firmen und
Gesellschaften kein Recht mehr für ihr Geld Gold zu verlangen
und sie durften Gold auch nicht mehr als Zahlungsmittel benützen;
nur den Regierungen war das noch erlaubt. Das Bretton-Woods-Abkommen
legte für jede Währung einen stabilen Wechselkurs dem Dollar
gegenüber fest und der Dollar war garantiert als Gegenwert
von 1/35stel Unze Gold, d.h. es bestand ein fester Goldpreis
von 35 US-Dollar für eine Unze (28,35 Gramm).
Nehmen wir einmal an, daß der amerikanische Konzern General
Motors den britischen Autohersteller Land Rover kaufen wollte,
nach dem Zweiten Weltkrieg, aber _ wohlgemerkt, noch vor 1971.
General Motors hätten Dollars zum Kauf benützen wollen, die
Aktionäre von Land Rover in England hätten für ihre Anteile
Pfund erhalten wollen. Hätten die Verkäufer Dollars akzeptiert,
hätten sie diese bei ihrer Bank gegen Pfund Sterling eintauschen
können. Hätte die Bank einen Kunden mit Bedarf für die so
erworbenen Dollars gehabt, hätte sie ihre Dollars auf diese
Weise gegen Pfund eingetauscht. Hätte die Bank aber keine
Kunden für ihre Dollars gehabt, so hätte sie sich an den Devisenmarkt
wenden müssen, um sie dort zu verkaufen. Und wenn das nicht
möglich gewesen wäre, hätte sie die Dollars gegen Pfund Sterling
an die Bank von England veräußern können.
Hätte nun aber die Bank von England seinerzeit nicht ausreichend
Pfund für die Dollars der Geschäftsbank gehabt, so hätte sie
die notwendige Menge an Pfund selbst geschaffen. Daraufhin
wäre sie mit den Dollars an die New Yorker Devisenbörse gegangen,
um sie dort gegen Gold einzutauschen. Auf diese Weise hätte
sie zusätzliches Gold für ihre Reserven erhalten.
Die dargestellte Transaktion hätte nicht zu irgendeinem Mißverhältnis
im englischen Währungssystem geführt, denn die reale Geldmenge
(die Menge an Gold) wäre tatsächlich angestiegen. Damit wäre
auch die Differenz zwischen der zur Auszahlung aller Ansprüche
nötigen und der wirklich vorhandenen Goldmenge geringer geworden.
Ganz anders wäre die Situation in den Vereinigten Staaten
gewesen. Sobald die Dollars in New York angekommen wären,
wäre die in den USA verfügbare Menge an Dollars wieder auf
dem Stand von vorher gewesen. Doch die Menge an Gold, durch
die diese bisherige Menge an Dollars gedeckt war, wäre um
die Menge gesunken, die an die Bank von England für die Dollars
gezahlt worden wäre. In den Vereinigten Staaten also wäre
die Differenz zwischen der zur Auszahlung aller Ansprüche
nötigen und der wirklich vorhandenen Goldmenge größer geworden.
Hätte sich General Motors die zum Kauf von Land Rover nötige
Summe dazu noch als Kredit ausgeborgt, so wäre diese Differenz
sogar um das Doppelte angestiegen; denn durch die Kreditausgabe
wären zunächst gegen die bestehende Goldmenge neue Dollars
geschaffen worden, und dann wäre auch noch die bestehende
Goldmenge um soviel verringert worden, wie der Bank von England
bezahlt worden wäre.
Bild 4 Rover GM vor 1971einfügen
Daß durch diese Transaktion die Differenz zwischen Gold und
Geld hier größer und dort kleiner geworden wäre, hätte wohl
auf keiner der beiden Seiten des Atlantiks den Goldpreis spürbar
beeinflußt. Denn in beiden Ländern wären die Fehler und Ungleichgewichte
im Geldsystem schon ausreichend gewesen, um den Goldpreis
auf sein Minimum zu drücken. Solange sich aber der Goldpreis
selbst nicht änderte und solange sowohl Dollar als auch Pfund
Sterling gültige Ansprüche auf Gold geblieben waren, hätten
sich die Binnenwechselkurse von Dollar und Pfund in ihren
eigenen Märkten wohl kaum geändert. Unter dem Goldsystem oder
dem Dollar-/Goldsystem (nach dem Abkommen von Bretton Woods)
wären die Preise aufgrund dieser Devisentransaktionen weder
gestiegen noch gefallen. Nur die jeweilige Differenz zwischen
der Menge des Geldes und der des Goldes hätte sich geändert.
Als Präsident Nixon 1971 das 'Goldfenster' schloß, begann
eine neue Ära des Papiergeldsystems. Wie wichtig diese Entscheidung
war, wurde bisher nur unzureichend erkannt. Dollars können
nicht mehr gegen eine festgelegte Menge Gold eingetauscht
werden. Andere Währungen können nicht mehr gegen eine festgelegte
Menge Dollars eingetauscht werden. Von Land zu Land werden
die Währungen von ihren Banksystemen in unterschiedlichem
Tempo abgewertet. Es kann kein festes Kursverhältnis der Währungen
untereinander mehr geben. Dem Wert des Papiergelds wurde die
Mindestgrenze entzogen, so daß jetzt der Wert einer jeden
Währungseinheit prinzipiell ins Bodenlose stürzen kann.
Die gleiche Transaktion wie die oben, jetzt aber unter dem
seit 1971 gültigen Papiergeld-System, würde in jedem der beiden
Länder ganz unterschiedliche Ergebnisse hervorrufen. Da die
Papiergeldeinheiten nicht mehr vom Aussteller frei gegen Gold
getauscht werden können, kann man den erhaltenen Dollarbetrag
nicht mehr zum Umtausch gegen Gold in die Vereinigten Staaten
bringen. Stattdessen würde der Betrag von der Bank von England
als Reserve aufbewahrt. Diese Dollars würden sich also entweder
physisch _ als Banknoten _ außerhalb der Vereinigten Staaten
befinden oder bei der Federal Reserve Bank in New York angelegt
sein, als Sicherheit für zukünftige Nutzung durch den Einleger.
Diese Dollars wären somit nicht mehr Bestandteil der dem amerikanischen
Binnenmarkt verfügbaren Geldmenge, gehörten aber dennoch zur
Gesamt-Geldmenge der USA. Nachdem sie durch die geographische
Umlagerung vom US-Binnenmarkt entfernt worden wären, würden
sie sich nicht mehr direkt auf die landesinternen Preise der
Vereinigten Staaten auswirken. Trotzdem: sie würden weiterhin
vorhanden sein.
Bild 5 Rover GM nach 1971einfügen
Jene durch die geographische Umlagerung aus dem Umlauf 'ausgelagerten'
Dollars ließen sich mit solchen Geldeinheiten gleichsetzen,
die ihrem Binnenmarkt für eine gewisse Frist entzogen werden,
also durch eine zeitliche "Auslagerung". So wird z. B. ein
Sparbrief mit fünf Jahren Laufzeit während dieser Zeit den
nationalen Markt wenig beeinflussen. Daß es dieses Geld überhaupt
gibt, ist oft so gut wie vergessen und wird erst dann wieder
deutlich, wenn der Sparbrief fällig und in ein normales Konto
umgewandelt wird. Ist die Inflation inzwischen so angestiegen,
daß Investoren ihre Papiere nicht mehr erneuern, sondern stattdessen
den Erlös in einem laufenden Konto verfügbar haben wollen,
so erscheint die Geldmenge plötzlich dramatisch vermehrt.
Es ist aber wirklich nur scheinbar so, denn es kommt nur Geld
auf den Markt zurück, das für eine Zeit nicht zur Verfügung
gestanden hat.
Auch wenn Geldeinheiten zurückkommen, die dem Markt geographisch
entzogen waren, steigt die nationale Geldmenge an. Bis zur
Rückkehr des Geldes aber hätte die Transaktion zwischen General
Motors und Land Rover zunächst einmal die Geldmenge des US-Marktes
verringert und dort weniger Geld für Geschäfte verfügbar gemacht,
außer der Kauf wäre durch einen Kredit der amerikanischen
Bank von General Motors finanziert worden. In diesem Fall
wäre das neu geschaffene Geld exportiert worden, die bisherigen
Geldeinheiten jedoch nicht; also hätte sich an der US-internen
Geldmenge nichts geändert. Inzwischen hätte aber die Bank
von England dort auch neue Geldeinheiten geschaffen, sie hätten
neue Pfund Sterling herausgegeben, um damit für die eingegangenen
Dollars zu bezahlen. Also wäre die Geldmenge in England gestiegen.
Nach Nixons Entscheidung, das 'Goldfenster' zu schließen,
muß die Bank von England die angekauften Dollars als Reserven
einbehalten, bis der Markt sie wieder im Tausch für Pfund
braucht. Wenn dann Dollars gegen Pfund Sterling gewechselt
worden sind, werden die dafür erhaltenen Pfund nicht automatisch
aus dem Verkehr gezogen, sondern entsprechend dem Inlandsgeldbedarf
der Bank von England benutzt, also Teil der britischen Geldmenge
bleiben. Das Schrumpfen der Reserven der Bank von England
wird demnach keinen entsprechenden Rückgang der inländischen
Geldmenge mit sich bringen, als Ausgleich für die vorhergehende
Geldschöpfung. Die durch die Devisentransaktion verursachte
Inflation wird also im britischen Binnenmarkt bleiben.
Wenn die Dollars in die Vereinigten Staaten zurückkehren,
erhöht sich die dortige Geldmenge, und falls der Kauf durch
einen Kredit finanziert war, hat die dadurch erzeugte Inflation
ihr endgültiges Ziel erreicht: den US-Binnenmarkt. Der bestehende
Eurodollar-'Berg' kann als ständige Bedrohung des Dollarkurses
in den USA gesehen werden. Sollte der Markt andererseits die
Dollars zur Finanzierung eines Kaufes in irgendeinem anderen
Land benötigen, dann würden sie in die Reserven der Zentralbank
dieses Landes eingehen. Damit würde sich wiederum die Geldmenge
in jenem Zielland erhöhen, und die inflationären Auswirkungen
der Transaktion wären in einem weiteren Markt spürbar.
Unter dem neuen Papiergeldsystem können Geldeinheiten, die
von ihrem Binnenmarkt anderswohin transferiert wurden, von
Land zu Land ziehen und auf dem Weg die Geldmenge eines jeden
Landes erhöhen: eine internationale Inflationswelle.
Dieser Prozeß birgt zwei große Gefahren. Die eine Gefahr,
die wir gerade sahen, ist der Import der Inflation durch das
Zielland. Sie kann oft an einem Anstieg der Reserven einer
Zentralbank erkannt werden. Wenn dieser Anstieg auf eine Anhäufung
ausländischen Papiergeldes zurückzuführen ist, könnte er auf
ausländische Investitionen in dem betreffenden Land hindeuten.
In einem solchen Fall wird auch die inländische Geldmenge
entsprechend zugenommen haben und folglich die inländische
Kaufkraft dieser Währung fallen.
Die andere Gefahr, die viel gravierender sein kann, liegt
darin, daß internationale Banken und die ausländischen Niederlassungen
multinational tätiger Banken die Geldmenge eines beliebigen
Landes erhöhen können. Nehmen wir Eurodollars: Sie werden
regelmäßig von internationalen Banken als Einlagen angenommen
und als Kredite verliehen. Diese Einlagen und Kredite unterstehen
keiner Kontrolle irgendeiner Währungsbehörde. Es gibt keine
internationale Zentralbank, also gibt es keinen verantwortlichen
obersten Kreditgeber und keine Einschränkung der Geldverleihaktivitäten
dieser Banken. Die einzige reale Grenze für die Produktionskapazität
dieser Geldverleihinstitutionen liegt in der Bereitschaft
von Kunden, überhaupt Kredite aufzunehmen, in der Kreditwürdigkeit
solcher Kunden und in der Umsicht internationaler Banker.
Auch das Europäische Währungssystem (EWS) hält die Inflation
nicht auf. Es versuchte nur _ vergeblich _, die Abweichungen
der einzelnen Währungen voneinander auf 2¼ Prozent
einzuschränken. Doch jede einzelne Währung wird von ihrem
eigenen Bankensystem abgewertet, und keine hat eine wirkliche
Untergrenze, unter die sie nicht fallen kann. Dementsprechend
fallen Tempo und Maß der Abwertung für jede Währung anders
aus. Das einzige, was man für das EWS sagen kann, ist daß
es das Tempo der Abwertungen zu synchronisieren versucht.
Stoppen kann es sie nicht. Im August 1993 schließlich ist
mit dem Beschluß, eine Bandbreite von 15 Prozent zuzulassen,
das Scheitern des EWS stillschweigend eingestanden worden.
[Nach oben]
Die Logik der Unvernunft
Wenn die Geschichte wirklich einen zuverlässiger Wegweiser
für die Zukunft abgibt, können wir mit Sicherheit annehmen,
daß sich die Anzahl der Forderungen, Quittungen oder Geldeinheiten
in der Welt bis zu einem Punkt der totalen Unvernunft aufblähen
wird. Historisch gesehen geschah dies zunächst mit einzelnen
Banken, die schließlich zusammenbrachen. (Vom zerbrochenen
Brett oder Tisch, italienisch banco rotto, leitet sich der
Begriff 'Bankrott' her.) Daraufhin wurden Zentralbanken geschaffen,
als letzte Rettung für Geschäftsbanken, denen der Zusammenbruch
drohte. Dieses Sicherheitsnetz aber wirkt nun als Freibrief
für alle Handelsbanken, ihre Geschäftstätigkeiten bis zum
jeweiligen kritischen Punkt aufzublähen. Dann ließen die Zentralbanken
zu, daß sich ihre nationale Geldmenge soweit vervielfachte,
bis schließlich das gesamte internationale Bank- und Währungssystem
seinen Punkt der Instabilität erreichte. Das Ergebnis war
der Zusammenbruch des Goldsystems.
Logische Folge dieses Musters wird sein, daß jetzt das internationale
Bankensystem die Menge des Papiergeldes in der Welt wiederum
bis zum Punkt der Unhaltbarkeit aufblähen wird. Deshalb müssen
wir uns alle mit ein paar ernsten Fragen auseinandersetzen:
Wird das ganze System zusammenbrechen und alle Ersparnisse
und geldbasierten Vermögenswerte vernichten, auch unsere eigenen?
Wird das System zu seiner eigenen Selbsterhaltung wieder
mit einer Linderungsmaßnahme aufwarten, einer Flickschusterei,
die einige Teile der Bankenwelt und ihr gegenwärtiges destruktives
Verhalten weiter überleben läßt, während der Rest des Systems
untergeht?
Werden unsere Ersparnisse und Geld-Vermögenswerte zu dem
Teil gehören, der gerettet wird oder zu dem, der vernichtet
wird?
Wäre es nicht klüger, jetzt etwas zu unternehmen, um das
System zu korrigieren und dieses Risiko zu vermeiden?
[Nach oben]
Wirtschafts- und Konjunkturzyklen
Man kann also leicht erkennen, wie ein unredliches
Geldsystem dem einzelnen Menschen wirtschaftliche Not
und schwere psychische Belastung auferlegt. Unser Mann
in Baltimore konnte seinen Ford nicht mehr kaufen; desillusionierte
Pensionisten in Portugal konnten sich nicht einmal mehr
einen eingeschränkten Lebensstil dort leisten. Großeltern,
die realistisch und gut beraten Sparkonten für die Ausbildung
ihrer Enkel eingerichtet haben, müssen zehn Jahre später
feststellen, daß sie damit nur einen mageren Beitrag
leisten können. Die Zerstörung wird auch in den Leidensgeschichten
vieler Personen und Firmen deutlich, welche die von
Wirtschaftsexperten am häufigsten verordnete und _ leider
_ von Regierungen ebenso häufig angewandte Roßkur nicht
überlebten: die Anhebung der Zinssätze.
Als Heilmittel sind hohe Zinsen vergleichbar mit der altertümlichen
medizinischen Behandlung durch Blutegel. Auch sie saugen die
Lebenskraft aus dem System. Die wenigen, für die Blutegel
wirklich heilsam waren, sind eher ein Beweis für die Stärke
des menschlichen Körpers und Geistes und für den Überlebenswillen
der Natur, als für die Heilwirkung der Blutegel. Doch hatten
Blutegel wenigsten keine direkte Auswirkung über die Person
hinaus, die so verarztet wurde. Hohe Zinsen dagegen hinterlassen
eine breite Schneise der Zerstörung.
Die jüngste Periode hoher Zinssätze hat nicht nur in Großbritannien
Unmengen von Familien ihr Eigenheim gekostet, eine riesige
Zahl von Einzelpersonen und Firmen in den Bankrott getrieben
und einen hohen Anteil der Bevölkerung arbeitslos gemacht.
Die Kombination dieser unmittelbaren Auswirkungen brachte
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Niedergang in viele
Gemeinden und Regionen des Landes. Schlimmer noch, viele Arbeiter,
die Mittelklasse, und _ wohl am schlimmsten _ die Schulabsolventen
fanden ihre Hoffnungen zerstört. Und nichts davon wäre nötig
gewesen. Es war einfach falsche Politik. Höhere Zinsen sind
kein Heilmittel gegen Inflation, sondern nur ein Steckenpferd
derer, die beherrscht sind davon, Wirtschafts- und Konjunkturzyklen
messen und kontrollieren zu wollen. Wir _ die Gemeinschaft
_ sind es, die jene Herrschaften dazu bringen müssen, sich
wieder um die wirklichen Ursachen dieser Zyklen zu kümmern.
Eine maßgeblichte Ursache für Wirtschafts- und Konjunkturzyklen
ist die durch die Geldverleihfunktion der kommerziellen Banken
geschaffene Geldmenge. Um die Rolle des Bankensystems deutlicher
zu erkennen, sollten wir die Rolle des Geldes als Träger von
Tauschwert betrachten. Jede identische Geldeinheit muß genau
den gleichen Tauschwert besitzen. Wenn neue Einheiten geschaffen
werden, ohne Substanz dahinter zu schaffen, muß der Wert der
neuen Einheiten logischerweise in gleichen Proportionen den
bis dahin schon bestehenden Einheiten weggenommen werden.
Angenommen, Sie leben in einer kleinen Gemeinde, die ihre
eigene Währung hat, mit insgesamt 1.000 Einheiten, und die
Gemeindeverwaltung gibt 100 neue Geldeinheiten heraus. Was
würde mit dem Tauschwert der ursprünglichen 1.000 Einheiten
geschehen? Wie kann man Teile von deren Tauschwert auf die
Empfänger der neuen Einheiten übertragen?
Am meisten profitiert von der Produktion dieser neuen Geldeinheiten
die Gemeindeverwaltung. Sie wird das neue Geld als Bezahlung
für irgendetwas in Umlauf bringen. Vielleicht weiß keiner
der Empfänger dieser Geldeinheiten, daß sie neu sind und nicht
zur urspünglichen Geldmenge der Gemeinde gehören. Dann wird
auch der Preis, den sie für ihre Ware verlangen, nicht davon
beeinflußt, und die Gemeindeverwaltung erhält so viel, wie
sie für 100 der ursprünglichen Geldeinheiten erhalten hätte.
[Nach oben]
Der Multiplikatoreffekt
Ihre Gemeindeverwaltung könnte nun mit ihren zusätzlichen
100 Geldeinheiten mehr an Gütern und Dienstleistungen erwerben,
als sie es sonst hätte tun können, vielleicht einen neuen
Computer für eines ihrer Ämter kaufen, den sie sonst nicht
erworben hätte, wenn sie nicht die neuen Geldeinheiten gedruckt
hätte. Die Computerfirma würde damit auch einen Computer mehr
verkauft haben, als sie es sonst getan hätte; das Gleiche
gilt für den Hersteller. Also hätte jeder einen zusätzlichen
Gewinn zu verzeichnen und könnte auch mehr ausgeben, als es
sonst der Fall gewesen wäre. Wenn der Computer 100 Geldeinheiten
gekostet hätte, hätte ein Lieferant die 100 Geldeinheiten
mehr erhalten. Wenn er nur eine Einheit gekostet hätte, dann
hätte die Gemeindeverwaltung mit den restlichen 99 Einheiten
andere Waren und Dienstleistungen erworben, und mehrere Lieferanten
würden je einen Teil der 100 neuen Geldeinheiten erhalten
haben. Folglich würde auch jeder dieser Lieferanten wiederum
von seinem Lieferanten mehr einkaufen, als sonst, und bei
jeder nachfolgenden Transaktion dieser sich ausbreitenden
Welle würde es sich um einen etwas geringeren Wert handeln.
Der Vorteil der neuen Geldeinheiten würde sich also vom ursprünglich
Bevorteilten wellenförmig ausbreiten.
Jeder von dieser Welle mitgetragene Lieferant würde einige
der Geldeinheiten als Profit oder Ersparnisse beiseite legen
können, was nicht möglich gewesen wäre, hätte die Gemeindeverwaltung
nicht die neuen Geldeinheiten gedruckt und ausgegeben. Mit
diesen neu ersparten Geldeinheiten könnten deren Eigentümer
manche ihrer bisher ungestillten Bedürfnisse oder Wünsche
befriedigen. Durch diese neu ersparten Geldeinheiten würde
also neue Nachfrage geschaffen, die entweder zu gesteigerter
Produktion oder zu höheren Preisen führen würde. (Oft ist
es eine Mischung davon.) In dem Maß, in welchem die gesteigerte
Nachfrage zu Preiserhöhungen führte würde denen, die von der
Vorteilswelle übergangen wurden, aber verteuerte Produkte
kaufen mußten, nach dem Kauf dieser Produkte weniger Geld
bleiben. Sie müßten dann auf manche weitere Produkte verzichten,
die sie sonst noch gekauft hätten. Diese Mitbürger hätten
an Kaufkraft eingebüßt und könnten nur wieder aufholen, indem
sie jetzt ihre eigenen Produkte oder Dienstleistungen verteuern.
Bild 6 Der Multiplikationseffekt
Alles in allem wäre in Ihrer Gemeinde die Produktion etwa
auf dem gleichen Niveau wie vor den neuen Geldeinheiten; die
in Umlauf befindliche Geldmenge hätte sich um 10 Prozent erhöht;
und die Preise wären um etwas weniger als 10 Prozent gestiegen,
je nachdem, wieviele der an der Vorteilswelle Beteiligten
die zusätzlichen Ersparnisse beiseite legen konnten. Dazu
hätte die Gemeindeverwaltung einen gewichtigen Anteil an Gütern
erworben und behalten, die zum Kauf bereitgestanden hatten.
Viele Ihrer Nachbarn dagegen hätten auf Produkte verzichten
müssen, die sie normalerweise gekauft hätten. Am Marktgeschehen
hätte sich kaum etwas geändert, es würden gleichviel Produkte
und Dienstleistungen umgesetzt wie zuvor. Aber: Die Transaktionen
würden auf einem höheren Preisniveau stattfinden.
Genau dieser Prozeß läuft in einem enorm viel größeren Maßstab
ab, wenn Regierungen Noten drucken und Münzen prägen und diese
neuen Geldeinheiten in Umlauf bringen. Und wenn neue Geldeinheiten
durch ein Bankensystem geschaffen werden, sind die Auswirkungen
zwar ähnlich wie wenn eine Regierung dies tut, doch ungemein
komplexer. Denn in diesem Fall erhalten drei Parteien je 100
Prozent der neuen Geldeinheiten, und die Rückzahlung eines
Kredites kann eine umgekehrte Welle in Gang setzen, die eine
verringerte Nachfrage und gedrosselte Produktion mit sich
bringt.
Diese drei primär begünstigten Parteien sind die Bank, die
das neue Geld schafft, das Bankensystem als Ganzes und der
Kreditnehmer. Jeder von ihnen erhält 100 Prozent der neuen
Geldeinheiten, und jeder profitiert dabei: Die Bank hat ihn
durch die Verdienstmöglichkeit der neuen Geldeinheiten, denn
sie verlangt vom Kreditnehmer Zinsen. Also hat sie den Vorteil
so lange, bis der Kredit wieder abbezahlt worden ist. Soweit
ist der Sachverhalt eindeutig.
Der größte Nutznießer ist das Bankensystems als Ganzes, was
allerdings nicht auf Anhieb so zu erkennen ist. Der Vorteil
bleibt auf Dauer dem System erhalten, denn die neuen Geldeinheiten
verschwinden nicht einfach, wenn ein Kredit zurückbezahlt
worden ist, sondern werden für neue Kredite benützt oder um
Abhebungen auszuzahlen. Werden sie für Kredite benützt, hat
die Bank, die den Kredit gewährt, den Vorteil. Werden Abhebungen
damit gedeckt, verschiebt sich der Vorteil zu einer anderen
Bank, die das Geld dann als Einlage bekommt und es wiederum
für neue Kredite benützen kann. Das Bankensystem als Ganzes
hat also seinen Vorteil, und es behält ihn. Sobald durch den
Geldverleihmechanismus neue Geldeinheiten entstehen, verschwinden
sie nicht mehr, bis es zu einem Bankzusammenbruch oder einer
Wertberichtigung durch geplatzte Kredite kommt. Nur in diesem
Fall, wird sich die Anzahl der Geldeinheiten innerhalb des
gesamten Bankensystems verringern.
Der dritte Nutznieser ist der Kreditnehmer. Auch er erhält
100 Prozent der neuen Geldeinheiten und kann damit mehr der
auf dem Markt zur Verfügung stehenden Güter erwerben, als
es ihm sonst möglich wäre. Wäre der Kreditnehmer ein Unternehmen,
das damit eine neue Maschine kaufte, um die Produktion zu
erhöhen, und wenn alle damit zusätzlich entstandenen Produkte
verkauft würden, dann ergäben die mit dem Kredit erworbenen
Mittel für den Kreditnehmer eine Basis für erhöhte Verkaufsziffern
und hoffentlich auch für mehr Profit. Andererseits könnte
das Unternehmen mit der neuen Maschine möglicherweise zwar
nur die gleiche Menge an Waren herstellen als zuvor, das aber
mit geringeren Produktionskosten. In beiden Fällen könnten
die aus dem zusätzlichen Profit oder aus der Kostenersparnis
gewonnenen Geldeinheiten für Zinszahlungen und Kredittilgung
genutzt werden.
[Nach oben]
Der Multiplikatoreffekt - negativ
Sollten aber _ im Gegensatz zu dem oben entworfenen Szenario
_ die als Kredit erworbenen Mittel keine Grundlage für ausreichende
Ersparnisse darstellen, um Zinsen und Kapital zurückzuzahlen,
ist die Situation des Kreditnehmers eine ganz andere: Dann
muß er nämlich entweder die Gesamtheit seiner Einkäufe einschränken
oder die Anzahl seiner Arbeitskräfte reduzieren, um genügend
einzusparen, damit er die Zins- und Kapitalrückzahlungen leisten
kann.
Wenn die als Kredit erworbenen Mittel eine Produktionskapazität
schaffen, die über der Nachfrage liegt, dann wird entweder
dieser Kreditnehmer oder einer seiner Konkurrenten nicht alle
hergestellten Produkte verkaufen können. Hier setzt der umgekehrte
Effekt, die negative Spirale ein. Sie führt zu einer Welle
reduzierter Nachfrage, denn einer oder mehrere der Hersteller
werden ihre Produktion einschränken müssen und demnach auch
die Einkäufe von ihren Lieferanten drosseln. Diese wiederum
werden, wenn die Verkaufszahlen sinken, auch die Einkäufe
von ihren Lieferanten einschränken müssen.
Bild 7 negativ Spirale
In beiden Fällen entsteht also eine Welle reduzierter Nachfrage.
Sie führt zu verringerter Produktion und natürlich weniger
Geldeinheiten, die dafür bezahlt werden. Weniger Leute werden
dann in der Lage sein, Geld für private Käufe beiseite zu
legen, und die Welle wird auf diese Weise weitere Bereiche
erfassen, die mit der kreditfinanzierten neuen Produktionsanlage
nichts zu tun haben.
Es gibt natürlich bei jedem Abschwung auch Ausnahmen. Es
werden ja laufend neue Kredite gewährt, und viele der Kreditnehmer
benützen diese für Projekte, zu deren Realisierung denen gängige,
einfache Materialien und Teile gebraucht werden. Manche Lieferanten
haben mehr offene als abgeschlossenen Aufträge und sind deshalb
einer Welle allgemein verringerter Nachfrage kaum ausgesetzt.
Das Baugewerbe beispielsweise verwendet viele gewöhnliche,
einfache Materialien. Ziegel-, Glas- oder Zement. Fabriken
werden also ihr Geschäft weiter ausbauen können, auch wenn
von ihnen belieferte Projekte abgeschlossen sind, denn es
können laufend genügend neue Bauprojekte begonnen werden,
so daß der Wert neuer Aufträge höher bleibt, als der der jeweils
fertiggestellten.
[Nach oben]
Die Grenzen des Wachstums
Alle Produkte der Wirtschaft müssen letztlich von einzelnen
Menschen gekauft, bezahlt und verbraucht oder benützt werden.
Fortlaufende Expansion muß deshalb in einem direkten Verhältnis
zur Anzahl der Personen stehen, die sowohl den Wunsch als
auch ausreichend Mittel besitzen, die Produkte eines bestimmten
Geschäfts oder einer Industrie zu kaufen. Sobald die bestehende
Nachfrage durch die bestehende Produktionskapazität befriedigt
ist, ist jeder weitere Ausbau der Produktionskapazität abhängig
von erhöhter Nachfrage. Solange die Anzahl der Menschen mit
Nachfrage nach diesen Produkten im selben Maß steigt wie die
Produktionskapazität der betreffenden Branche, kann diese
weiter expandieren. Sobald der Anstieg in der Nachfrage abflacht
und schließlich aufhört, muß auch die Expansion dieser Branche
aufhören.
Das Wachstum der Produktionskapazität unterliegt aber auch
noch anderen betriebswirtschaftlichen Einschränkungen. Ohne
finanzielle Reserven kann ein Unternehmen nicht investieren,
also neue Gebäude bauen oder Maschinen anschaffen; auch Privatpersonen
können kein Haus, kein Auto, keinen Fernseher oder Kühlschrank
kaufen, wenn sie nicht Zugang zu mehr Geldeinheiten haben,
als sie zum täglichen Leben brauchen. Verantwortungsvolle
Kreditgeber haben Kriterien für die Bonität eines Kreditnehmers.
Verantwortungsvolle Kreditnehmer werden nur einen Kredit aufnehmen,
wenn sie sich sicher sind, ihn auch zurückzahlen zu können.
Hat ein Kreditnehmer sein Kreditlimit erreicht, muß er sich
aus dem Kreditmarkt zurückziehen, bis er ausreichend getilgt
hat, um sich wieder als vertrauenswürdiger Kreditnehmer zu
qualifizieren. Das kann einige Zeit dauern. Im Falle eines
Betriebes müssen die neuen Gebäude erst gebaut oder die neuen
Produktionskapazitäten eingerichtet werden, sowie genug der
damit produzierten Waren verkauft sein, damit der Betrieb
nicht nur überleben, sondern auch den Kredit zurückzahlen
kann. Gleichzeitig erhält das Bankensystem das ausgeliehene
Geld in Form von Einzahlungen von denen wieder zurück, deren
Arbeit, Materialien oder sonstigen Zulieferungen, etwa in
Form von Dienstleistungen, damit bezahlt worden sind. Der
Großteil des verliehenen Geldes steht also fast sofort wieder
potentiellen Kreditnehmern zur Verfügung. Die Geschwindigkeit,
mit der die Institutionen des Geldverleihs neue Kreditwünsche
befriedigen können, liegt also weit über der Fähigkeit von
Einzelpersonen oder Betrieben, ihre Kredite zurückzuzahlen
und selber wieder als Geldsuchende auf dem Kreditmarkt zu
erscheinen.
Früher oder später muß der Kreditmarkt eine gewisse Sättigung
erreichen und die Anzahl der vertrauenswürdigen Kreditnehmer
schwindet. Denn sie haben mittlerweile entweder so viel ausgeliehen
wie sie können und sind jetzt damit beschäftigt, das zu verdienen,
was sie für Zinszahlung und Kreditilgung brauchen. Oder sie
haben einfach keinen Bedarf für einen Kredit. Demgemäß verringert
sich das Ausmaß der Kredite zum Ausbau der Produktionskapazität.
Die Bestellungen auf Lieferung von Materialien, Maschinen
und Dienstleistungen, die man zur Erhöhung von Produktionskapazität
braucht, gehen zurück, werden storniert und erzwingen einen
Rückgang des Geschäftsvolumens bei den Lieferanten. Schließlich
wird dann auch die Anzahl der dafür nötigen Arbeitsplätze
entsprechend abgebaut.
Bei steigender Arbeitslosigkeit und fallenden Verkaufszahlen
können immer weniger Menschen und Firmen noch irgendwelche
Reserven zurücklegen für andere Ausgaben als die, die zum
Tagesbetrieb, zur Zinsleistung und für Tilgungsraten oder
Materialbeschaffung nötig sind. Folglich wird der Bedarf an
Produkten und Dienstleistungen noch weiter sinken. Manche
Firmen werden dann nicht mehr genug erwirtschaften können,
um alle ihre betriebserhaltenden Verpflichtungen einzuhalten
_ Löhne, Lieferanten, Zinsen, Kapitalrückzahlungen. Die Folge:
Pleiten. Es werden noch mehr Menschen ihre Arbeitsplätze verlieren,
und die Nachfrage wird weiter sinken. Und so kommt es dann
zu einer Rezession.
Ein Nachfragerückgang oder eine Überproduktion in irgend
einer bestimmten Industrie oder Branche hingegen reichen dafür
nicht aus. Sogar während Wachstumsperioden verändert sich
der Markt, und manche Produkte und Dienstleistungen werden
unattraktiv oder durch technische Neuerungen ersetzt.
Nein, eine Rezession hat ihren Ursprung in einer Maßlosigkeit
des Geldverleihs unseres gesamten Bankwesens. Eine Rezession
ist Zeichen der Sättigung des gesamten Kreditmarktes eines
jeweiligen Bankensystems und trifft deshalb den gesamten Markt,
den das betreffende Bankensystem versorgt. Die Nachfrage wird
allgemein nachlassen, weil nur wenige zur Kreditaufnahme und
weiteren Ausgaben in der Lage sein werden. Ausnahmen wird
es natürlich geben, Geschäftszweige, die genau unter solchen
Umständen blühen, Konkursverwalter beispielsweise; im Grunde
aber breitet sich eine Welle abnehmender Nachfrage aus.
Fatalerweise breitet sich eine solche Schrumpfungswelle viel
schneller aus als eine Welle der Expansion. Eine Expansionswelle
wächst nur in der Geschwindigkeit, wie neue Produktionskapazität
auf- und ausgebaut wird. Eine Welle abnehmender Nachfrage
dagegen braucht nur die Entscheidung, bestehende Produktionskapazität
nicht mehr zu nutzen, um alles mit ihren negativen Folgen
zu überschwemmen.
Wirtschafts- und Konjunkturzyklen sind also ein Ergebnis
dessen, daß dem System zur Aufbewahrung und Zirkulation von
Geld der Mechanismus des Geldverleihs aufgepfropft wurde,
mit all den Auswirkungen, wie wir schon früher gesehen haben:
1. Inflation
2. Die Auflösung der Rolle des Geldes als Maßeinheit
eines Tauschwertes
3. Die Auflösung der Rolle des Geldes als Wertsicherung
für zukünftige Transaktionen
4. Die Verlagerung von Kaufkraft _ und damit von
Reichtum _ von den Sparern zu den Kreditnehmern
5. Die Verarmung von Menschen mit festem oder wenig
veränderlichem Einkommen (Rentner, Unterhaltsabhängige
etc., aber auch ein Großteil der Arbeiter und Angestellten)
6. Die Belohnung unseriösen und die Bestrafung ehrlichen
Verhaltens
7. Mißtrauen und Zwietracht innerhalb der Gesellschaft.
Es kann mittlerweile kein Zweifel mehr bestehen, daß es ein
immenser Fehler war, dieses Aufpfropfen zu akzeptieren und
es zu legitimieren. Wir dürfen nicht zulassen, daß es so weitergeht.
Die Frage, der wir uns nun stellen müssen ist, wie wir diesen
schwerwiegenden Fehler beheben können?
[Nach oben]
Teillösungen
Zur Zeit seiner Planung und Entstehung wurde der Assuan-Staudamm
als die endgültige Lösung der Bewässerungs- und Überschwemmungsprobleme
Ägyptens hoch gepriesen. Heute sieht man das Ausmaß
der neuen, womöglich noch größeren Probleme, die erst
durch dieses großartige Bauwerk verursacht worden sind.
Die Fischereiindustrie, die bis dahin einen bedeutenden
Anteil ihres Einkommens durch sicheren Sardinenfang
im Nil-Delta erzielte, mußte mitansehen, wie die jährliche
Ausbeute von 18.000 Tonnen auf etwas über 500 Tonnen
fiel, seitdem der regelmäßig angeschwemmte Schlamm ausblieb,
der den Sardinen als Nahrungsquelle gedient hatte. Außerdem
starben die Schnecken nicht mehr wie in jedem Winter
in den ausgetrockneten Bewässerungskanälen. Die Schnecken
sind als Wirtstiere des Blutegels Bilharzia Überträger
der von diesem Parasiten erregten Bilharziose, der sogenannten
ägyptischen Hämaturie; also konnte sich diese Krankheit
weiter verbreiten und führte in großem Maße zu Arbeitsunfähigkeit
unter den Bewohnern des Landes.
Als vor rund sechzig Jahren beschlossen wurde, daß nur noch
die Regierungen Papiergeld zu Gold umtauschen konnten, glaubten
sowohl Regierungen als auch Finanzexperten, daß die Probleme
des westlichen Währungssystems ein für alle Mal gelöst seien.
Die Entscheidung wurde als wirtschaftlicher Durchbruch von
unschätzbarer Bedeutung gepriesen, vielleicht als so bedeutend,
wie man es Jahrzehnte später der Konstruktionsleistung des
Assuan-Staudamms nachsagte. Zurückblickend können wir wiederum
erkennen, daß auch diese Entscheidung eine Kette von Problemen
zur Folge hatte, für die wir übrigens bislang keine langfristigen
Lösungen besitzen. Wir müssen uns also heute fragen ob irgendwelche
der gegenwärtigen Lösungsversuche so entwickelt werden können,
daß sie eine dauerhafte Korrektur bewirken.
Weltfremd denkende Theoretiker, die es sich gerne leichtmachen,
pflegen zu sagen, daß der freie Markt seine Probleme selber
lösen müsse, also daß das Bankensystem sich selbst regulieren
solle. Andere neigen zu der Ansicht, daß die Kreditvergabe
ausreichend 'natürlichen' Einschränkungen unterliege, um eine
Krise zu verhindern. Doch die Realität zeigt ein etwas anderes
Bild.
Selbstverständlich besitzt das System manche natürlichen
Einschränkungen; sonst wäre es schon längst zusammengebrochen.
Es gibt zwei natürliche Schranken, die dazu beigetragen haben,
die Inflationsexplosion in Grenzen zu halten. Als die eine
Schranke wirkt die Zeitverzögerung zwischen Einzahlung und
Auszahlung. Eine Bank muß genug Geld zur Verfügung haben,
um Auszahlungen leisten zu können. Dafür gibt es zwar Richtlinien,
doch können ohne sichtbare Vorwarnung Marktsituationen auftreten,
die den Umfang der Abhebungen enorm steigern. Deshalb neigen
kluge Banker zu relativ großen Überschußreserven, um unter
einem solchen Ansturm bestehen zu können, falls er je auftreten
sollte.
Die zweite Begrenzung stellt der Liquidationswert der eingebrachten
Sicherheit des Kreditnehmers dar, den die Banken als Garantie
für Darlehen ansetzen. Banken akzeptieren nur solche Vermögenswerte
als Deckung, die jederzeit einen verläßlichen Gegenwert erzielen
können, und gewähren Kredit nur für einen Anteil dieses Gegenwerts.
Die Summe all dieser Anteile stellt meist eine praktische
Obergrenze des Gesamtvolumens an Geld dar, das von Banken
in Umlauf gebracht werden kann. Denn die Banken selbst weigern
sich, mehr in Umlauf zu bringen, sobald diese Gegenwertanteile
einmal bis zur Gänze beliehen sind.
Doch auch diese Obergrenze ist nicht endgültig. Die Handlungsweise
der Banken selbst erzwingt eine rasante Erhöhung dieser Grenze.
Grund dafür ist der 'Angebots-Hebel', den die Banken durch
ihre Kredite bewirken. Potentielle Käufer von Objekten können
von ihren Banken eine Zusage erhalten, daß diese einen vereinbarten
Anteil des Kaufpreises tragen. Jeder dieser potentiellen Käufer
kann dann die Höhe seines Angebots entsprechend dem von ihm
selbst einzubringenden Geld und entsprechend seiner Ertragserwartungen
an das betreffende Objekt ansetzen. Selbst besitzen muß er
dafür wohlgemerkt nur einen Bruchteil seines Angebotspreises.
Wenn beispielsweise zwei Leute dasselbe Haus kaufen wollten,
würden beide zuerst mit ihren jeweiligen Darlehensgebern den
Prozentsatz des Kaufpreises vereinbaren, den man ihnen vorstrecken
würde. Angenommen, beide Banken würden sich zu einer Hypothek
über 90 Prozent bereit erklären, und der Kaufpreis wäre DM
500.000 _ dann bräuchten jeder der beiden Kaufinteressenten
lediglich DM 50.000,- Eigenkapital für ein ausreichendes Angebot.
Wenn nun der eine DM 50.000,- gespart hätte, könnte er dem
Hausbesitzer ein Angebot zum verlangten Kaufpreis machen.
Hätte der andere Kaufinteressent allerdings DM 60.000,-, würde
die Hebelwirkung seiner Bankvereinbarung von 90 Prozent sein
Angebot auf glatte DM 600.000,- erhöhen und den anderen Interessenten
aus dem Rennen werfen. Sollte das zweite Angebot nun angenommen
werden, hätte sich auch sofort der Marktwert des Hauses erhöht,
d.h. der 'Angebots-Hebel' hätte diesen Wertanstieg verursacht.
Wo immer es mehrere Objekte und mehrere Käufer gibt, können
die Objekte oft den Besitzer wechseln. Und das wiederum kann
zu einem laufenden Anstieg des Kaufpreises jedes dieser Objekte
führen. Diese Preisspirale kann sich nach oben drehen, bis
sie eindeutig unhaltbar geworden ist. Dann werden entweder
die Banken keinen weiteren 'Angebots-Hebel' mehr zur Verfügung
stellen, oder die Kaufinteressenten werden ausbleiben; oder
beides tritt gleichzeitig auf, was einen Preissturz der Objekte
auslöst. Wenn der Preisanstieg unverhältnismäßig und rasant
genug war, kann der Preis des betreffenden Objekts auf oder
sogar unter das vorherige Preisniveau fallen.
Dies geschah an der Wall Street Ende der 20er Jahre, als
_ für sogenannte Effektendifferenzgeschäfte _ die Aktien selbst
als Sicherheit für zu 90 Prozent kreditfinanzierte Kaufangebote
dienten. Als potentielle Aktienkäufer zu zweifeln begannen,
ob die Kurse noch weiter steigen können, und nicht mehr kauften,
begannen die Kurse zu fallen. Nachdem 90 Prozent davon fremdfinanziert
waren, genügte ein Kurseinbruch von 10,1 Prozent, um den Aktienwert
unter den Betrag zu bringen, der zu ihrem Kauf finanziert
worden war. Jedoch schon vor dieser Grenze wurden von den
Kreditnehmern Einschußzahlungen verlangt, um den geliehenen
Anteil wieder auf 90 Prozent des neuen Aktienwertes zu bringen.
Als viele Aktionäre diese Gelder nicht aufbringen konnten,
wurden die Aktien vom Kreditgeber verkauft, was den Markt
überschwemmte und die Preise noch weiter nach unten fallen
ließ. Durch diese Zwangsverkäufe verloren nicht nur Aktionäre
und Börsenmakler enorme Summen, auch die Aktienkurse wurden
immer weiter gedrückt. Die Verluste hatten solche Ausmaße,
daß viele Aktionäre, die zum Kauf der Aktien Darlehen aufgenommen
hatten, bankrott gingen. Das gleiche Schicksal ereilte auch
viele Börsenmakler, die den Käufern die Darlehen vermittelt
hatten, und auch viele der Banken, die wiederum den Börsenmaklern
die Kredite zur Verfügung gestellt hatten.
Es war derselbe 'Angebots-Hebel', der sowohl Anfang der 70er,
als auch Ende der 80er Jahre die Immobilienpreise in London
so spektakulär hochjagte und dann in sich zusammenbrechen
ließ. Bei beiden Spekulationskrisen dienten nicht Aktien,
sondern Immobilien zur Deckung der Kredite. Die Angebote schaukelten
sich hoch, während jeder Kauf durch neue Kredite finanziert
war. Neue Kredite produzierten neue Geldeinheiten, die jeweils
zu einer immer größeren Menge des im Umlauf befindlichen Geldes
führten.
Der Börsenkrach an der Wall Street im Oktober 1929, der aus
der Zahlungsunfähigkeit von Aktienkäufern beziehungsweise
Börsenmaklern entstand, führte zum Gegenteil: Er verringerte
die Geldmenge, denn auch viele Banken gingen unter, und deren
Kunden und Anleger verloren ihr Geld. Die Inflation, die sich
in Amerika durch die Angebotsspirale der 20er Jahre aufgebaut
hatte, fiel durch den Börsenkrach in sich zusammen.
Bei den neueren Fällen im London der 70er und 80er Jahre
existierte bereits das Sicherheitsnetz der Einlagenversicherung,
und es kam auch nicht zu einem riesigen Bankenzusammenbruch.
Die Bankkunden verloren kein Geld, die Geldmenge verringerte
sich nicht und so blieb die durch den 'Angebots-Hebel' hochgeschaukelte
Inflation erhalten. Was ihre dämpfenden Auswirkungen auf die
Inflation anbelangt, waren die Zentralbank und die Einlagenversicherung
also alles andere als ein Erfolg.
Wenig ermutigend sind auch sonst alle bisherigen Bemühungen
geblieben, Inflation zu kontrollieren. In ihren Ansätzen,
Methoden zur Inflationsdämpfung zu finden, haben sich Wirtschaftsexperten
und Regierungen auf die Auswirkungen konzentriert, anstatt
auf die Ursachen. Diese Lösungsversuche 'kurierten' also im
besten Falle die Symptome, nicht aber die Krankheit selbst.
[Nach oben]
Hilflose Therapieversuche
Betrachten wir uns zum Beispiel die Maßnahmen in der Lohn-
und Preispolitik. Wenn wir wieder unser Beispiel des mechanischen
Schadens an der Turmuhr von Big Ben anwenden, ließe sich diese
Politik damit vergleichen, daß man versuchen würde, die eine
oder andere Bevölkerungsgruppe auf einen einzigen Uhrenvergleich
mit Big Ben pro Jahr einzuschränken. Eine solche Gruppe wäre
nicht im Gleichtakt mit dem Rest der Bevölkerung und würde
ähnliche Auswirkungen erleiden wie die Menschen in unserem
ursprünglichen Big-Ben-Beispiel. Erinnern Sie sich: Die beiden
Leute, die sich zum Mittagessen verabredet, aber ihre Uhren
nicht mit Big Ben synchronisiert haben, würden sich nach offizieller
Zeit zum Abendessen treffen und müßten außerdem in den nächsten
Tag auch noch alles hineinquetschen, was sie an diesem Nachmittag
hätten erledigen wollen. Die Tage würden immer kürzer werden
und mehr und mehr 'verpaßte' Besorgungen und Termine müßte
man in immer kürzere Tage hineinpferchen. Man würde laufend
Zeit verlieren.
Gleichermaßen würden Einkommensbeschränkungen für einzelne
Gruppen oder Firmen immer diesen immer mehr Kaufkraft entziehen,
sodaß sie einige Anschaffungen verschieben müssen. Eine solche
Politik des Lohndirigismus wird im Laufe der Zeit zuerst das
Nettoeinkommen von Einzelpersonen und Firmen mindern und schließlich
ihr finanzielles Sicherheitsnetz zerreißen. Die Wirtschaft
kann dadurch so geschädigt werden, daß sich der Gedanke, eine
solche Politik sei irgendeine Lösung, doch mittlerweile als
haarsträubend erwiesen haben sollte.
Die Höhe von Preisen und Löhnen wirkt auf die Verteilung
bereits bestehender Geldeinheiten: die Höhe von Löhnen auf
die Verteilung von Geldeinheiten, die von einem Betrieb oder
einer Branche eingenommen werden; die Höhe der Preise auf
die Verteilung von Geldeinheiten, die dem Markt zur Verfügung
stehen. Die einen oder die anderen staatlich verordnet anzuheben
oder zu senken _ die Löhne oder die Preise _ kann nichts anderes
bewirken, als bestehende Geldeinheiten umzuverteilen. Neue
Geldeinheiten werden dadurch jedoch bestimmt keine geschaffen.
Inflation dagegen ist die Folge laufend zunehmender Geldmenge
und hat mit der Verteilung bestehender Geldeinheiten nichts
zu tun. Also findet man keine Therapie gegen Inflation, indem
man die Verteilung von Geldeinheiten zu kontrollieren versucht.
Staatliche Preis- oder Lohnsteuerung können Inflation nicht
stoppen, nicht einmal bremsen. Das einzige, was sie anrichten,
ist die Benachteiligung des Bevölkerungsteils, der von den
unmittelbaren Auswirkungen dieser volkswirtschaftlichen Steuerungsmaßnahmen
betroffen ist.
Staatsschulden sind ein weiterer Sündenbock, den man so gerne
für Inflation verantwortlich macht. Aber: Wieviel eine Privatperson,
eine Firma oder eben der Staat sich ausleiht, hat nur mit
der Verteilung von Geldeinheiten zu tun, die für Investitionen
zur Verfügung stehen. Mehr oder weniger Staatsschulden erzeugen
an sich keine einzige neue Geldeinheit. Indem man die Verteilung
von Investitionen vom öffentlichen zum privaten Sektor verlagert,
erreicht man im Kampf gegen Inflation schlicht und einfach
nichts. Jede Bemühung, das Gespenst der Inflation zu bannen,
muß vergeblich bleiben, solange sie auf den Kreditnehmer abzielt.
Alle Eindämmung der Inflation müssen sich auf den Kreditgeber
konzentrieren, dessen Handlungen es in Wirklichkeit sind,
die Inflation anfachen.
Solange der Kreditgeber reales Geld verleiht, das bereits
existiert und auf das noch kein anderer Anspruch hat, und
wenn dieses Geld tatsächlich dem Kreditgeber gehört und er
akzeptiert, daß er es so lange nicht zur Verfügung haben wird,
bis es nach einem vertraglich gesicherten Zeitraum zurückbezahlt
ist _, solange wird der Markt nicht getäuscht, und der Kredit
wird sich nicht inflationär auswirken. Nur wenn der Kreditgeber
Geldeinheiten verleiht, auf die schon Ansprüche bestehen,
oder wenn er neue Quittungen für Einlagen ausstellt, gegen
auf die schon zuvor Quittungen ausgestellt worden sind _,
dann werden bestehende Ansprüche entwertet, und der Teufelskreis
der Inflation beginnt.
Man hat in schierer Verzweiflung sogar das sogenannte Indexing
versucht. Wieder auf unser Beispiel mit Big Ben zurückkommend
wäre das so, wie wenn alle Kirchenglocken Großbritanniens
per Draht- oder Funksteuerung mit Big Ben verbunden wären,
so daß alle Menschen im akustischen Einzugsbereich der Kirchen
jede Stunde dem gleichzeitigen Schlagen der Glocken der Nation
entsprechend ihre Uhren nachstellen könnten. Obwohl auch das
zunächst eine vernünftige Lösung scheint, wird man sie sofort
als absurd erkennen, wenn man das zunehmend verzerrte Verhältnis
zwischen 'offizieller' Big-Ben-Zeit und natürlicher Zeit betrachtet.
Nach einem Monat beispielsweise wird es um Mittag dunkel sein,
und die Sonne wird um Mitternacht scheinen. Früher oder später
müßte man zwei 'offizielle' Tage in einem natürlichen Tag
unterbringen. Diese 'Lösung' wäre also ein hanebüchener Unsinn.
Unser Big-Ben-Beispiel ist deshalb nützlich, weil es ganz
klar zeigt, wie ein mechanischer Fehler zu immer schnelleren
Änderungen führt. Es ist auch deshalb hilfreich, weil es uns
deutlich macht, warum manche der als angebliche Inflationskur
anerkannten politischen Maßnahmen immer wieder versagt haben.
Eine der am häufigsten versuchten Methoden zur Inflationskontrolle
ist die Erhöhung der Zinssätze. Wir haben zwar Zinssätze schon
weiter vorn in diesem Buch behandelt, aber man sollte die
Aussage wiederholen: Zinszahlungen sind auf die Verteilung
von bestehendem Geld bezogen; sie verlagern Geldeinheiten
vom Kreditnehmer zum Kreditgeber und schaffen nicht eine einzige
neue Geldeinheit. Erhöhte Zinssätze bewirken sogar das Gegenteil
von dem, was sie sollen. Sie bieten Banken einen Anreiz, mehr
Geld zu verleihen. Und was noch schlimmer ist: Sie belasten
Geschäfte auf beiden Seiten, denn sie erhöhen die eigenen
Kosten. Dadurch haben die Unternehmen weniger Mittel für andere
Ausgaben zur Verfügung. In der Folge fallen die Verkaufszahlen
bei gleichzeitig steigenden Kosten. Das ist Aderlaß an der
Wirtschaft und führt zu höherer Arbeitslosigkeit und zu zunehmender
Zahlungsunfähigkeit von Einzelpersonen und Firmen.
Dennoch sind in den westlichen Industrieländern Zinserhöhungen
nach wie vor das bevorzugte Mittel zur Inflationsbekämpfung.
Und Zinssenkungen bleiben weiterhin das Mittel der Wahl zur
Ankurbelung der Wirtschaft. Niedrigere Zinsen sind zwar insofern
nützlich, als sie die laufenden Kosten von Kreditnehmern verringern,
doch ist das nicht ihr wahrer Zweck. Zinsen werden gesenkt,
um mehr Leute zu Krediten und zu Ausgaben anzuregen, um dadurch
die Produktion anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen.
Nüchtern betrachtet ist die so begründete Zinssenkung eine
perverse Methode. Sie ermutigt unter dem Deckmantel, eine
gesündere Wirtschaft schaffen zu wollen, mehr Privatleute
und Unternehmen zum Schuldenmachen. Sie behauptet, die Wirtschaft
sei nicht so gesund wie sie sein könnte, entweder weil nicht
genügend Privatleute und Firmen verschuldet sind oder weil
diejenigen, die verschuldet sind, nicht tief genug in den
roten Zahlen stecken.
Doch die Schulden sind es, durch die Einzelpersonen, Firmen
und letztlich die Wirtschaft ruiniert werden. Zinssätze als
Mittel zur Manipulation oder Steuerung von wirtschaftlichen
Zyklen sollte man besser heute als morgen aufgeben.
Manche Finanztheoretiker haben erkannt, daß der Anstieg der
Geldmenge die wirkliche Ursache der Inflation ist. Soweit
liegen sie richtig. Ihre Lösungen schlagen aber immer fehl.
Denn um Inflation anzuhalten, darf man sich nicht auf Maßnahmen
zur Verteilung bestehender Geldeinheiten beschränken. Um Inflation
anzuhalten, müssen wir die Produktion neuer Geldeinheiten
einstellen.
[Nach oben]
Die Uhr läuft ab
Läuft dem westlichen Gesellschaftssystem die Zeit davon?
Können wir es uns noch leisten, die Warnungen in den
Wind zu schlagen? Es scheint doch, daß eine Wirtschaftkrise
der anderen folgt, und daß jede davon den Westen in
tiefere Rezessionen stürzt. Wir sahen die Verschuldungskrise
der Dritten Welt, den Zusammenbruch der Spar- und Kreditbanken
in den Vereinigten Staaten, zwei Krisen des Immobilienmarktes
in Großbritannien, den Zusammenbruch der Börse in Japan,
den dramatischen Wertverlust von US-Dollar und Pfund
Sterling; wir haben erlebt, wie das Europäische Währungssystem
(EWS) unter dem Entwertungsdruck scheiterte, wie die
deutsche Wiedervereinigung die D-Mark untergraben hat;
und wir hatten drei Talfahrten der Wirtschaft, die Anfang
der 90er Jahre in England zur schlimmsten Rezession
seit den 30er Jahren führten. All das geschah, seit
Präsident Nixon 1971 das 'Gold-Fenster' schloß.
Es können kaum mehr Zweifel daran bestehen, daß bei jeder
dieser Krisen das unvernünftige Verhalten der Banken eine
bedeutende Rolle gespielt hat. Und wir sollten den Alarm nicht
überhören, den uns diese Krisen signalisieren: das internationale
Bankensystem hat die Geldmenge weltweit bereits zu einem Punkt
der Unkontrollierbarkeit aufgebläht. Da es keine internationale
Zentralbank gibt, keinen internationalen obersten Retter,
muß man durchaus mit der Möglichkeit eines Zusammenbruch des
Weltwährungssystems rechnen. Man hat sogar schon davon gesprochen,
die Bank für internationalen Zahlungsausgleich zu einer Welt-Zentralbank
umzuwidmen. Doch könnte eine solche internationale Zentralbank
letztlich den Zusammenbruch unseres bestehenden Papiergeldsystems
nur vorübergehend verhindern. Sie könnte bestehenden, in Bedrängnis
geratenen Zentralbanken unter die Arme greifen, die dann wiederum
ihre zusammenbrechenden nationalen Geschäftsbanken retten
könnten. Aber all das ist nur ein altes Stück, gespielt auf
einer neuen Bühne: So entstanden ja die nationalen Zentralbanken.
Wenn in den Anfangstagen des Bankwesens die Anleger an der
Sicherheit ihrer Einlagen bei einer bestimmten Bank zu zweifeln
begannen marschierten alle gleichzeitig an, um ihre Einlagen
abzuheben. Weil die Bank ihr Geschäft auf der Vorspiegelung
falscher Tatsachen aufgebaut hatte stand nicht genügend Geld
zur Verfügung, alle Anleger auszuzahlen. Entweder verloren
manche Anleger ihre gesamten Einlagen oder alle einen Teil
ihrer Einlage. Wenn dann auch Kunden anderer privater Geschäftsbanken
zu zweifeln begannen, waren plötzlich alle Banken mit ihren
Einlagen in Gefahr. Aus dieser Situation heraus, da Banken
und ihre Anleger dasselbe Interesse hatten, richteten die
Regierungen Zentralbanken ein, sozusagen als letzte kreditgebende
Instanz für bedrohte Banken. Diese neu etablierten Zentralbanken
konnten dann Geld zur Verfügung stellen, wenn Geschäftsbanken
unfähig waren, die Abhebungen ihrer Kunden zu decken. Auf
diese Weise stellten Zentralbanken die Kontinuität sowohl
der Kundeneinlagen als auch der Banken selbst sicher.
Doch gerade hier liegt die Ursache der Schwierigkeiten. Indem
solchen Banken, die unstabil wurden eine Sicherheit geboten
wurde, ermöglichten es die Zentralbanken, daß die grundlegende
Vorspiegelung falscher Tatsachen ungestraft weitergeführt
und noch dazu legitimiert wurde. Und jetzt erleben wir die
Konsequenzen: massive Irrationalität seitens der Regierungen,
der Zentralbanken selbst und des gesamten Bankwesens.
Die Einrichtung einer Welt-Zentralbank kann die Misere nur
noch verlängern. Sie wird die Leichtfertigkeit von Regierungen,
Zentralbanken und Banken nur noch weiter sanktionieren. Sie
können ihre jeweilige verantwortungslose Politik auf einer
höheren Ebene fortzusetzen, bis auch hier der Zustand von
Unkontrollierbarkeit erreicht ist. Denn danach wird sich keine
weitere Krücke mehr für das Weltwährungssystem finden lassen.
Irgendwann muß einfach jedes System, das auf Täuschung aufgebaut
ist, in sich zusammenbrechen.
Einzelne Regierungen verfolgen eine Politik fortwährender
wirtschaftlicher Expansion ohne Rücksicht auf die Folgen.
Sie sind überzeugt davon, daß Wachstum der einzige Weg aus
einer Rezession darstellt, d.h. die negative Spirale durch
die Multiplikatoreffekte des Wachstums zu ersetzen. Die Mittel
aber, die zur Wachstumförderung eingesetzt werden, schwächen
das System als Ganzes.
Im Laufe einer Rezession wird ein Teil der Kreditnehmer den
verringerten Umsatz abfedern und dazu noch genug einsparen
können, um die Schulden weiter zu bedienen. Ihre Zahlungen
wiederum stärken die Position der erfolgreichen Banken. Sobald
die Banken durch Rückzahlungen und neue Einlagen ausreichend
Geld erhalten haben, fühlen sie sich wieder sicher genug,
ihre Geldverleihgeschäfte neu anzukurbeln. Doch werden dann
viele Kreditnehmer, die ihre Kreditwürdigkeit schon bewiesen
haben, noch keinen Bedarf an neuem Kapital zum Ausbau bestehender
Produktionskapazitäten haben; im Gegenteil, viele Industriezweige
werden immer noch überschüssige Produktionskapazität besitzen.
Also bleiben die Banken mit ihrem natürlichen Expansionsdrang
vorläufig ohne Erfolg.
Um ihre Geldverleihtätigkeit auszudehnen, mußten die Banken
in der Vergangenheit über den Kreis ihrer bewährten Kreditnehmer
hinausgehen. Deshalb wurden die Kreditbedingungen so verändert,
daß der Kreditmarkt auf eine größere Bevölkerungsschicht erweitert
werden konnte. Die Kriterien der Kreditwürdigkeit mußten also
verwässert werden, und dadurch wurde die Deckung für das Geld
der Anleger unterminiert. Der Schwerpunkt des Kreditgeschäfts
wechselte von der Finanzierung von Produktionskapazität zur
Finanzierung von Konsum. Auf diese Weise konnten die Banken
ihren Gesamtkreditvolumen erweitern. Mehr Geldverleih bedeutet
höhere Einnahmen aus Zinsen; das bedeutet höhere Profite und
letztlich höhere Inflation.
Diese Denk- und Handlungsweise ist es aber, die immer wieder
zu Branchenkrisen und Konjunkturzyklen führt. Die Ausdehnung
des Kreditgeschäfts führt über die Multiplikatoreffekte zu
einer Ertragsverbesserung und direkt in ein allgemeines Wirtschaftswachstum.
Der Unterschied zwischen Branchenkrisen und Konjunkturzyklen
besteht letzlich nur in der Größe des davon betroffenen Marktes.
Die Wurzel aller Arten von Zyklen ist immer die Kreditaktivität
von Banken.
Jeder allgemeinen Wirtschaftsexpansion folgte immer noch
ein allgemeiner Wirtschaftsrückgang, dessen Dauer davon abhing,
wie schnell die Banken durch Kredit-Rückzahlungen ihre Reserven
wiederauffüllen konnten. Sobald ihre Reserven wieder stark
genug waren, um die Kreditausgabe wieder weiter ausbauen zukönnen,
mußten die Banken in der Vergangenheit oft auf einem breiteren
Markt nach kreditwürdigen Kunden suchen. Aber auch hier läuft
die Uhr ab, da es kaum noch Wachstumsmöglichkeiten gibt.
Ursprünglich war das Vorrecht der Kreditgewährung auf die
Wohlhabenden beschränkt, auf jenen Kreis von Personen, deren
Besitz viel mehr wert war als der Betrag, den sie sich ausleihen
wollten, oder die genug Macht hatten, um an das zum Zurückzahlen
eines Kredits nötige Geld heranzukommen. Es waren Grundbesitzer,
reiche Kaufleute, Fabrikanten, Könige, Prinzen und Regierungen,
die sich Geld ausleihen konnten. Heute ist es nicht einmal
mehr nötig, etwas zu besitzen; das nächste Gehalt reicht schon
als Sicherheit _ noch nicht verdientes Geld mit unbekanntem
zukünftigen Wert. Auf diese Weise ist der Kreditmarkt über
den Kreis der Reichen und Mächtigen hinaus so erweitert worden,
daß er heute die einfachsten Schichten der Gesellschaft mit
einschließt.
In den Ländern der westlichen, industrialisierten Welt ist
es bestimmt schwierig, sich eine Ausweitung des Kreditmarktes
auf einen noch breiteren Personenkreis vorzustellen. Doch
wie steht es mit dem Kreditmarkt außerhalb des industrialisierten
Westens? Es ist recht unwahrscheinlich, daß die Löhne in wirtschaftlich
noch wenig entwickelten Ländern ihren Bürgern genug Kreditfähigkeit
gewähren, um die Geldverleihtätigkeit der westlichen Banken
spürbar anzukurbeln. Im Laufe der Geschichte haben langfristige
Verträge die Kaufkraft der Preise, die an weniger entwickelte
Länder für Rohstoffe gezahlt wurden, stets niedriggehalten.
Erinnern Sie sich an die gemeinsame Wirkung von langfristigen
Verträgen und Inflation auf die Kaufkraft des Preises, der
der Iranian Oil Company pro Tonne Rohöl bezahlt wurde. Erst
als sich die wichtigen ölexportierenden Länder der Welt in
der OPEC zu einem Kartell zusammenfanden, hatten sie genug
Macht, um den Ölpreis anzuheben und ihre Verluste wieder wettzumachen.
Von den Herstellerländern anderer, für die Industrie und den
Lebensstandard der westlichen Welt wichtiger Rohstoffe waren
nur wenige imstande, sich zu solchen Kartellen zusammenzuschließen.
Zur gleichen Zeit haben Löhne und Preise in den industrialisierten
Ländern massiv angezogen. Das Gleiche gilt für die Kosten
der Finanzierung und der Bereitstellung von Maschinen und
Gebäuden. Das alles hat dazu geführt, daß heute im Westen
die Rohstoffe oft einen unrealistisch kleinen Anteil der Produktionskosten
darstellen. Dazu kommt, daß viele der Rohstoffproduzenten
in den nichtindustrialisierten Ländern, seien es Erzgruben
oder landwirtschaftliche Großbetriebe, die einzigen Arbeitgeber
ihrer Region sind. Dadurch können sie die Löhne drücken, die
an die dort ansässigen und deshalb abhängigen Arbeiter bezahlt
werden. In einer Provinz der Dominikanischen Republik beispielsweise
gibt es außer einem Bauxitbergwerk fast keine andere Arbeitsmöglichkeit.
Es besteht also um die Arbeitskräfte kaum eine Konkurrenz,
die sich positiv auf die Entwicklung der Löhne auswirken könnte.
Kaum anders sieht es in dieser Hinsicht in vielen der Gruben
in Südafrika und auf den meisten Plantagen der Rohrzuckerproduktion
in der Karibik und in Mittelamerika aus. Lohnempfänger in
den weniger entwickelten Ländern konnten deshalb bis heute
keine angemessenen Löhne verlangen und haben ein viel niedrigeres
Einkommen als die Arbeiter im industrialisierten Westen. Versuche,
den Kreditmarkt auf breitere Bevölkerungsschichten der Dritten
Welt auszudehnen, werden also keinen Aufschwung bringen, der
in den industrialisierten Ländern spürbar werden könnte.
Andererseits kann die Ausdehnung des Kreditgeschäftes in
den Rohstoffländern der Dritten Welt zum Wirtschaftswachstum
in ihren eigenen Märkten führen. Genau das geschieht derzeit
im pazifischen Raum mit den boomenden Volkswirtschaften in
Korea, Taiwan, Singapur und Malaysia. Und China folgt nicht
weit hinterher. Die Industrie dieser Länder, die vor wenigen
Jahren noch als 'Schwellenländer' bezeichnet wurden, konkurriert
inzwischen mit der des Westens, und sie haben auch schon ihr
eigenes expansives Bankwesen. Doch früher oder später werden
auch sie an eine Grenze stoßen.
Es gibt eine genau bestimmbare Grenzlinie für die Fortentwicklung
der Expansions- und Kontraktionszyklen, nämlich den Zeitpunkt,
an dem alle etablierten und potentiellen Kreditnehmer zusammen
sich nichts mehr ausleihen können und damit die Kreditkapazität
der gesamten Weltbevölkerung erschöpft ist. Danach gibt es
keine Erweiterung des Kreditmarktes mehr, außer sie entsteht
aus der Rückführung bestehender Kredite oder einem Anwachsen
der Weltbevölkerung. Doch beides kann nicht schnell genug
geschehen, um eine neue substanzielle Expansionswelle zu tragen.
Es könnte aber auch geschehen, daß noch vor der totalen Erschöpfung
des Welt-Kreditmarktes die weltweite Gesamt-Produktionskapazität
in ein solches Mißverhältnis zum weltweiten Bedarf gerät,
daß niemand mehr ernsthaft an neue Produktionskapazitäten
denken wird. Wenn keine neue Produktionskapazität mehr zu
schaffen ist, gibt es auch keine spürbare Expansionswelle
mehr.
Expansion der Geldmenge ist aber Voraussetzung für die Produktion
neuer Geldeinheiten. Die wiederum ist nötig, um Abhebungen
decken und das Vertrauen der Kunden zu bewahren zu können.
Ohne laufende Expansion kann das Bankensystem nicht überleben.
Ohne neue Kredite kann das Bankensystem nicht expandieren.
Ohne grundlegende Änderungen im System sieht es für die Zukunft
des westlichen Banken- und Währungssystems düster aus.
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ZWEITER TEIL
Redliches Geld
Die Voraussetzungen für ein gesundes Geldsystem
Wenn wir vermeiden wollen, daß unser Währungssystem
zusammenbricht, müssen wir grundlegende Änderungen bewirken.
Bevor aber irgendwelche Maßnahmen unternommen werden,
sollten wir uns ein klares Bild davon schaffen, welche
Grundlagen für verläßliches Geld und ein tragfähiges
Währungssystem nötig sind. Wir müssen uns selber die
Richtung vorgeben. Redlichkeit und Genauigkeit sind
dafür die Voraussetzungen.
Geld hat drei spezifische Funktionen. Es dient:
1. als Maßeinheit für den Tauschwert von Waren und Dienstleistungen
2. als Tauschmittel
3. als Aufbewahrungsform von Tauschwert für die
Zukunft.
Ein Artikel, der laufend an Wert verliert, kann niemals als
Maß oder als Aufbewahrungsform eines Tauschwertes dienen.
Verderbliche Ware, wie beispielsweise Tomaten, erleiden automatisch
einen Wertverlust und erweist sich deshalb als nicht brauchbar.
Das Material, das sich zur Wertsicherung von Geld bisher
am besten bewährte, ist Gold. Seine Eigenschaften sind dafür
beinahe ideal. Es ist selten, und um davon geringe Mengen
zu produzieren bedarf es eines großen Aufwands. Gold ist gleichförmig
und kann deshalb in kleine Einheiten identischer Größe und
Qualität und identischen Tauschwerts aufgeteilt werden. Es
ist chemisch inaktiv und unterliegt daher keiner physikalisch
bedingten Wertminderung, etwa durch Korrosion. Gold besteht
damit die erste Eignungsprüfung. Es gilt aber noch weitere
Hürden zu überwinden.
Angebot und Nachfrage spielen eine Rolle bei der Festlegung
des Tauschwertes eines jeden Gegenstandes. In bezug auf Geld
entspricht die Nachfrage dem Bedarf, der sich aus Anzahl und
Gesamtwert der Transaktionen eines Marktes ergibt. In dem
Maße, wie das Überleben einer arbeitsteiligen Gesellschaft
von Tauschaktionen abhängt, wird es also eine Mindest-Nachfrage
nach Geld geben: die Geldmenge, die die Menschen eines Marktes
zum Kauf von Lebensmitteln, Kleidung und Unterkunft brauchen.
Sowohl Anzahl als auch Gesamtwert der Transaktionen ändern
sich mit der Größe einer Gruppe von Menschen, der Bevölkerung
einer Region, und ihren Erwartungen und Bedürfnissen. Nimmt
die Bevölkerung oder ihr Lebensstandard zu, erhöht sich folglich
die Notwendigkeit von Transaktionen und damit die Nachfrage
nach Geld.
Ein Material, das sich als Geld eignen soll, muß auch den
Bedürfnissen des einfachen Mannes für seine Transaktionen
auf dem Markt entsprechen. Es muß genug davon in kleiner Form
geben, daß eine Person für die zu erwartenden täglichen Transaktionen
ausreichend bei sich tragen kann. Das Material also, aus dem
Geld gemacht ist, sollte in kleine und identische Einheiten
teilbar sein, die einen relativ hohen Tauschwert besitzen.
Ein seltenes und homogenes Material wie Gold eignet sich also
gut für diesen Zweck.
Material, das sehr selten ist, bedarf eines hohen Aufwands,
es zu finden, zu schürfen und aufzubereiten. Würde der Tauschwert
von Geld zu sehr sinken, dürften sich diejenigen, die es herstellen,
wohl nach einträglicherer Arbeit umsehen. Dann würde die Produktion
immer weiter gebremst, bis die Nachfrage wieder ausreichend
über dem Angebot läge, um den Tauschwert des Geldes wieder
zu heben. Damit wiederum entstünde ein höherer Anreiz zur
Produktion _ bis zur nächsten Sättigung des Marktes. Im Laufe
der Zeit dürfte sein Tauschwert immer weniger schwanken, bis
letztlich eine gewisse Preisstabilität erreicht ist. Wichtig
ist hier, sich klarzumachen, daß das Angebot des als Geld
verwendeten Materials nur von der Bereitschaft von Menschen
abhängt, für seine Produktion Energie aufzuwenden. Im Idealfall
sollte das Material, das als Geld verwendet wird, einen möglichst
konstanten Tauschwert besitzen. Dazu müßte es in solcher Menge
und in solchem Zustand verfügbar sein, daß jede meßbare Einheit
menschlicher Energie genau die gleiche Menge und Qualität
davon produziert. Dieser Bedingung entspricht Gold nicht,
und ein Material, das dieser Anforderungen genügt, wurde bisher
auch nicht gefunden. Die ideale Geldeinheit gibt es also noch
nicht.
Gold hat nichts Magisches an sich, das seine Verwendung als
Tauschmittel unbedingt notwendig macht. Sicher besitzt Gold
mehr derjenigen Eigenschaften, die es für ein Tauschmedium
geeignet machen, als jedes andere Material. Das wurde im Lauf
der Geschichte von den Menschen auch erkannt. Sollte es jemals
wieder als Zahlungsmittel zugelassen werden, werden die Menschen
es sehr wahrscheinlich auch wieder benützen.
Papiergeld dagegen ist kein Naturprodukt, sondern wird als
reines Kunstprodukt von Menschen, aus geringwertigen Rohmaterialien
hergestellt. Der Mensch sollte es darum auch wirklich kontrollieren
können, und zwar besonders die folgenden Schwächen:
1. Es ist zu leicht herzustellen
2. Es unterliegt Abnutzung, Beschädigung und Zerstörung
3. Es besteht kein Verhältnis zwischen seinen Produktionskosten
und seinem Tauschwert; seine Produktion ist ausschließlich
durch selbst auferlegte Zurückhaltung beschränkt.
Wir wissen, daß jeder Zuwachs der Menge an Papiergeldeinheiten
den Eigentümern bestehender Banknoten den entsprechenden Tauschwert
entzieht und auf die Empfänger der neu geschaffenen Scheine
überträgt. Wir wissen, daß unter dem Papiergeldsystem eine
erhöhte Geldmenge die Größe der Tauschwerteinheit mindert
und all die oben beschriebenen Verzerrungen mit sich bringt.
Es ist also klar, daß keinerlei Geldproduktion erlaubt sein
darf, die eine bestehende Geldmenge erhöht. Wenn wir unser
Papiergeldsystem retten wollen, müssen Regelungen eingeführt
werden, die bewirken, daß neues Geld nur zum Ersatz abgenutzter
oder beschädigter Scheine und Münzen produziert wird. Außerdem
müssen die Geldverleihaktivitäten der Banken sofort eingestellt
werden. Die dazu nötigen Kontrollmechanismen müssen sehr wirksam
sein und rigoros durchgesetzt werden.
Sind diese Mechanismen einmal etabliert, werden wir wieder
Ereignisse auf dem Markt erleben, die schon lange in Vergessenheit
geraten sind. Mit jedem Anwachsen der Bevölkerung oder der
Lebensstandard-Erwartungen der bestehenden Bevölkerung wird
die Zahl der Transaktionen ansteigen und damit die Nachfrage
nach Geld. Wenn die Geldmenge nicht ansteigen kann, wird die
gesteigerte Nachfrage zu einem erhöhten Tauschwert des Geldes
führen. Das heißt, daß Preise fallen und die gleiche Geldmenge
für einen größeren Umfang an Transaktionen ausreicht. Die
Wirtschaft eines Landes kann also ohne Aufstocken der Geldmenge
durchaus wachsen.
Natürlich gibt es dabei einen Haken: Wenn der Wert des Geldes
ansteigt, werden manche Menschen ihr Geld lieber behalten,
anstatt es auszugeben. Das Horten von Geld oder ein plötzliches
Überschwemmen des Marktes mit Geld könnte dann zu unnatürlich
großen Pendelschwüngen des Geldwertes führen, was wiederum
den Markt schwerwiegend stören könnte.
Diese Hürde läßt sich jedoch leicht überwinden, denn der
Anstieg des Tauschwertes von Geld wird Menschen dazu bewegen,
anstelle von Geld lieber mit etwas anderem einzukaufen, damit
sie ihr wertvolles Geld behalten können. Käufer werden den
Verkäufern für deren Güter und Dienstleistungen anstelle von
Geld Ersatzwerte anbieten. Schließlich werden Transaktionen
mit Ersatzwerten stattfinden, die für beide Seiten akzeptabel
sind. Früher oder später werden sich gewisse allgemein anerkannte
Ersatzwerte herauskristallisieren.
Würde man nun diese Ersatzwerte auch zu legalen Zahlungsmitteln
oder Geldeinheiten erklären, würde die Geldmenge genau der
Nachfrage entsprechend anwachsen. Dieser Anstieg der Geldmenge
würde sich aber grundlegend von dem unterscheiden, den wir
derzeit erleben. Jeder Geldersatz hätte ja auch schon vor
seiner Verwendung als Zahlungsmittel seinen eigenständigen
Tauschwert gehabt. Ihn schließlich als Zahlungsmittel zu verwenden,
hieße keinem Eigentümer von Papiergeld auch nur einen Groschen
Kaufkraft entziehen; der Wert des Geldes selbst würde also
weitgehend konstant bleiben.
So können wir sehen, daß sich ein Ansatz entwikkeln läßt,
mit dem das bestehende Papiergeldsystem aufrechterhalten und
der Wert seiner bestehenden Einheiten stabilisiert werden
kann _ eine Vorgehensweise, die uns eine Gesamt-Geldmenge
gibt, die je nach Nachfrage in natürlicher Weise wachsen kann.
Das muß unser Ziel sein.
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Radikales Umdenken
Um herauszufinden, wie wir das oben definierte Ziel
erreichen können, müssen wir den gesetzlichen Rahmen
untersuchen, innerhalb dessen Geld gehandelt und investiert
wird. In den meisten Ländern haben Vertrags- und Steuerrecht
einen Markt geschaffen, in welchem kreditfinanzierte
Investitionen gegenüber Beteiligungs-Investitionen begünstigt
sind. Es wird wohl unumgänglich sein, daß jedes Land,
das eine tragfähige Währung besitzen will, seine gegenwärtige
Gesetzgebung ändert. Ein Blick auf die Entscheidungsalternativen
privater Investoren zeigt uns die Gründe für diese Forderung
auf.
Ein Sparer, der sein Geld für eine zukünftige Verwendung
sicher aufbewahren will, hat vier Möglichkeiten:
1. Er kann das Geld in einen Safe legen und hier sicher
vor Diebstahl und Brand aufbewahren
2. Er kann es für Waren, Produkte oder gegen Immobilien
eintauschen
3. Er kann es gegen ein Unternehmen oder eine Beteiligung
eintauschen
4. Er kann es verleihen
Geld in einem Safe aufzubewahren hat den Nachteil, daß es
kostspielig ist, gleichgültig, ob man den Platz dafür mietet
oder selbst baut. Soweit der Wert des Geldes nicht steigt,
werden diese Kosten nicht aufgefangen, und die aufbewahrte
Geldmenge reduziert sich laufend um den Preis der Aufbewahrung.
Um es billiger zu machen, könnte man einen weniger sicheren
Aufbewahrungsort wählen, doch das erhöht das Risiko eines
Verlustes, der dann allerdings vollständig sein könnte.
Der Sparer kann sein Geld auch für Waren, Gegenstände oder
Immobilien eintauschen, deren Wert im Zeitablauf stärker zunimmt,
als der Geldwert. Doch steckt auch hier ein Risiko: Der Tausch
ist endgültig, und der Wert der eingetauschten Gegenstände
und Besitztümer kann auch fallen. Dadurch kann der Sparer
größere Verluste erleiden, als wenn er das Geld nur im Safe
gelagert hätte. Darüberhinaus müssen auch Waren und Gegenstände
sicher gelagert und Immobilien verwaltet und unterhalten werden.
Auch eine Beteiligungsinvestition bedeutet einen endgültigen
Tausch. Sie ist ein Tausch von Geld gegen Eigentum, Partnerschaft
oder Anteile an einem Unternehmen. Nach dem Tausch besitzt
der Investor nicht mehr das Geld, sondern etwas das man Vermögen
nennen kann, das aber kein Geld mehr ist.
Eine erfolgreiche Beteiligungs-Investition bedeutet, daß
der Tauschwert der Beteiligung steigt, und daß der entsprechende
Anteil an den Gewinnen dem Eigentümer ein Einkommen bringt.
Eine solche Beteiligung birgt auch eindeutige Risiken. Ihr
Wert kann nicht nur steigen, sondern auch fallen, wenn ein
Unternehmen keinen Gewinn macht oder sogar scheitert. Dann
erhalten seine Investoren keine Gewinnbeteiligung; schlimmer
noch, sie könnten ihre gesamte Einlage verlieren. Das Risiko
tragen allein die Investoren.
Geld zu verleihen ist ebenfalls eine Art Investition, stellt
jedoch nur eine vorübergehende Transaktion dar und umgeht
die Risiken eines endgültigen Tausches. Indem er Geld verleiht,
erlaubt der Investor dem Kreditnehmer nur, die geliehenen
Geldeinheiten vorübergehend zu benützen. Zu einem bestimmten
Termin muß der Kreditnehmer die geliehene Summe zurückzahlen.
Kreditverträge und Pfandsicherheiten lassen sich außerdem
rechtlich geltend machen. Ein Kreditgeber kann Polizei und
Gerichte in Anspruch nehmen, um seine Außenstände einzutreiben.
Diese vom Steuerzahler finanzierten Institutionen sind verpflichtet,
Zeit und Energie aufzuwenden, damit ein Kreditgeber nicht
das verliehene Geld oder die dafür geschuldeten Zinsen verliert.
Wenn Sie ihr Haus verlieren, ist es der Gerichtsvollzieher,
der es Ihnen wegnimmt. Wenn Ihr Geschäft durch Schulden in
den Konkurs getrieben wird, ist es ein Gericht, das den Konkurs
regelt. Die Steuerzahler müssen also ihr Geld aufwenden, damit
Kreditgeber das ihre nicht verlieren. Wenn ein Gericht einen
Gerichtsvollzieher zu einem verschuldeten Unternehmen schickt,
muß sogar dafür die bankrotte Firma noch die Kosten dafür
tragen. Besitzt eine Firma noch Vermögenswerte, die ihr in
dieser Situation nützen könnten, begleicht der vom Gericht
bestellte Konkursverwalter daraus erst einmal die Abwicklungs-
und Eintreibungskosten.
Die bestehenden Gesetze, schützen Kreditgeber vor Verlusten
aus Investitionen, die sie freiwillig unternommen haben. Die
Realität hinter einem geplatzten Kredit ist aber, daß der
Kreditgeber eine Fehleinschätzung begangen hat, indem er den
Kredit dem Schuldner überhaupt gewährte. Man kann seine Schuld
durchaus mit der des Kreditnehmers vergleichen, denn beide
glaubten bei Vertragsabschluß, er würde den Kredit zurückzahlen
können. Kann er das nicht, haben beide _ der Kreditgeber wie
der Kreditnehmer _ den gleichen schuldhaften Fehler begangen.
Das Gesetz aber behandelt den einen Fehler ganz anders als
den anderen.
Wenn man sich die Wahlmöglichkeiten eines Anlegers betrachtet,
entdeckt man im Gesetz ein hohes Maß an Ungleichheit. Firmen
scheitern aus den verschiedensten Gründen: schlechte Planung,
Kapitalmangel; persönliches Unvermögen oder sogar unehrliches
Verhalten. Wer sein Geld in einer Firma anlegt, trägt die
volle Verantwortung für eine damit womöglich verbundene Fehleinschätzung;
er kann seine gesamte Investition verlieren. Wer sein Geld
jedoch als Darlehen verleiht _ und wenn er dabei möglicherweise
genauso einer Fehleinschätzung aufsitzt wie der optimistische
Kreditnehmer _, der genießt dafür ein bedeutendes Maß an Sicherheit
und Schutz: Steuerzahler stellen dem Kreditgeber die volle
Unterstützung der Polizei, der Konkursgerichte und in manchen
Fällen sogar des Strafvollzugs zur Seite, damit er soviel
wie möglich von seinem Geld retten kann.
Daraus folgt, daß der Geldverleiher einen großen Teil seiner
Eintreibungskosten auf den Steuerzahler abwälzen kann, oft
sogar sämtliche dieser Kosten, wenn nämlich von dem bankrotten
Schuldner nichts mehr zu holen ist. Von Gesetzes wegen muß
das Geld der Steuerzahler vergeudet werden, um die Verluste
von Geldverleihern so gering wie möglich zu halten. So gewährt
die Gesellschaft den Darlehensinvestoren einen Schutzschild,
den sie Beteiligungsinvestoren versagt. Die Abfolge der Risikoträger
bei Krediten beginnt beim Kreditnehmer, dann kommt der Steuerzahler
und erst ganz zum Schluß der Kreditgeber. Beteiligungsinvestoren
nimmt niemand auch nur einen Teil ihres Risikos ab, sie tragen
das ganze Risiko alleine.
Die Diskriminierung von Beteiligungsinvestoren zugunsten
der Darlehensinvestoren geht tatsächlich noch weiter. Die
Steuergesetzgebung erlaubt, daß Zinszahlungen von den zu versteuernden
Profiten abgezogen werden, während Dividenden an Eigentumer
erst nach Abzug der Steuer ausgeschüttet werden dürfen. Eine
Firma muß deshalb viel mehr erwirtschaften, um einem Investor
den Gewinn zu verschaffen, den er durch ein Darlehen erzielen
würde.
Wenn Sie beispielsweise einer Firma DM 1.000,- zu 6 Prozent
Zinsen leihen, muß diese Firma DM 60,- Profit erwirtschaften,
um Ihnen die Zinsen zu zahlen. Kaufen Sie dagegen für DM 1.000,-
eine Beteiligung an derselben Firma, müßte sie erst Steuern
bezahlen, bevor sie Ihnen eine Gewinnbeteiligung auszahlte.
Bei einer Steuer von 33 Prozent müßte die Firma DM 90,-, also
eineinhalbmal soviel Gewinn erwirtschaften, und dann erst
einmal DM 30,- Steuern dafür bezahlen, bevor sie Ihnen ihre
DM 60,- Gewinnbeteiligung ausschütten dürfte.
Es ist also ganz verständlich, daß Anleger ihre Investitionen
so aufteilen, daß sie soviel wie möglich in Darlehen investieren
und sowenig wie möglich in Beteiligungen. Auf diese Weise
zahlen sie weniger Steuern. Die Regierung aber erhält deshalb
von Unternehmen auch weniger Steuern, und der private Steuerzahler
hat einen größeren Anteil der öffentlichen Ausgaben zu tragen.
Geldverleihern werden vom Staat besondere Vorrechte eingeräumt.
Und was erhält der Staat, was bekommt die Gesellschaft _ Bürger
und Steuerzahler _ im Gegenzug für diese Vorrechte? Die Handlungen
der institutionalisierten Geldverleiher entwerten unsere Währungen
und produzieren regelrecht Inflation; sie verursachen die
Wirtschaftskrisen und Konjunkturzyklen, die zu hohen Arbeitslosenquoten
führen und die vielen anderen sozialen und wirtschaftlichen
Verzerrungen nach sich ziehen, die hier weiter vorn bereits
dargestellt wurden. Außerdem sind die Zinskosten der am schnellsten
wachsende Posten gerade jener Staatshaushalte, von denen der
einfache Steuerzahler einen unverhältnismäßig hohen Anteil
zu tragen gezwungen ist.
Diese Ungleichheit muß beseitigt werden. Warum sollen Steuerzahler
weiter so große Lasten tragen, um die Verluste der Geldverleiher
auszugleichen? Haben Staatshaushalte nicht schon genug _ und
schwer finanzierbare _ Aufgaben? Warum soll der Gewinn von
Geldverleihern weniger besteuert werden, als der anderer Investoren?
Und warum soll die Gesellschaft die konfliktfördernden und
zerstörerischen Auswirkungen weiter tragen und ertragen, die
aus diesem grundlegend mißratenen Geldverleihmechanismus erwachsen?
Wir sollten auf Gesetzesänderungen bestehen, die bewirken,
daß die Geldverleiher die gesamten Kosten ihrer eigenen Fehleinschätzungen
selbst aufbringen müssen, sodaß wir keinen Anteil mehr der
durch Fehlentscheidungen von Geldverleihern entstandenen Eintreibungskosten
tragen müssen, und daß alle Gewinne nach dem gleichen Recht
besteuert werden.
Die Gesetzesparagraphen, die Geldverleiher schützen, sind
die Mechanismen, die die Geldverleihfunktion an das Bankensystem
binden. Denn ohne diese Gesetze hätten Banken beim Geldverleih
keine so große Sicherheit mehr. Wir können diese Gesetze so
ändern, daß alle Schulden _ wie es jetzt nur für Spielschulden
gilt _ für gesetzlich nicht verfolgbar erklärt werden. Geldverleiher
hätten dann ebensowenig Sicherheit wie die Investoren in Unternehmen.
Geldverleiher könnten nicht mehr mit Gewißheit mit der Rückzahlung
jener Kredite rechnen, die sie aus den Einlagen ihrer Kunden
ausgeben.
Anleger hätten dann auch weniger Vertrauen darauf, daß Banken,
die Geld verleihen, auch ein sicherer Ort für ihr Bargeld
oder ihr Erspartes sind. Wer würde schon darauf vertrauen,
daß sein Geld sicher untergebracht ist in einer Bank, die
es dann als nicht gesetzlich eintreibbare Darlehen weitergibt?
Wenn mit einem Darlehen irgend etwas fehlschlägt, wie soll
der Anleger sein Geld zurückbekommen? Also müßten Banken das
Kreditgeschäft zurückfahren oder ganz aufgeben. Um sein Geld
zurückzubekommen, hinge ein Geldverleiher vollkommen von der
Zuverlässigkeit seiner Kreditnehmer ab. Wer dagegen sein Geld
in Beteiligungen anlegte, hätte sowohl die Zuverlässigkeit
seiner Geschäftspartner als auch einen Eigentumsanteil an
allem Kapital des Unternehmens. Beteiligungen wären plötzlich
eine viel attraktivere Wahl.
Bestehende Verordnungen und die Steuerpolitik sind keine
unveränderlichen Naturgesetze. Wo immer Kreditgeber Steuervorteile
und Vollzugsunterstützung haben, kann der demokratische Staat
seine Politik umstellen und Vorschriften ändern oder ganz
streichen. Diese Änderungen werden das Kreditgeschäft als
solches keineswegs verbieten. Jeder darf nach wie vor Kredite
ausgeben, wenn er will; nur muß er das Risiko dafür selbst
tragen. Die Gesetzesänderungen wären einfach eine offene Erklärung,
daß die Gesellschaft nicht mehr bereit ist, Geldverleiher
vor den Folgen ihrer eigenen Fehleinschätzungen zu schützen.
Gerichte, Gerichtsvollzieher und Polizei hätten dann mehr
Zeit für wichtigere Aufgaben. Darlehensschulden würden die
gleiche rechtliche Position einnehmen wie Spielschulden, also
nicht gesetzlich eintreibbar sein. Gesetzwidrige Eintreibungsmethoden
wären für Darlehen ebensowenig erlaubt wie für Spielschulden.
Geldverleih als Standardmethode der Finanzierung würde wegen
seines Mangels an Sicherheit langsam aussterben.
Kredit würde natürlich weiter bestehen. Soweit jemand bereits
als kreditwürdig etabliert ist, dürften auch in Zukunft Kreditverträge
abgeschlossen werden. Hersteller werden weiter produzieren
und ihre Produkte verkaufen müssen. Angenommen eine solche
Gesetzesänderung würde beschlossen, dann müßte ein Hersteller
eines Produktes alle seine Kunden und deren Kreditfähigkeit
überprüfen. Diejenigen, auf die er sich verlassen kann, die
ihre Rechnungen prompt bezahlen, würde er weiterhin auf Kredit
beliefern. Bei anderen Kunden müßte er sorgfältig überdenken,
ob sich das Risiko eines weiteren Kredits lohnt. Bei jedem
Kunden müßte er abwägen zwischen dem Umfang seiner Bestellung
und was diese Bestellung für die Auslastung seiner Produktionskapazität
bedeutet, einerseits, und anderseits der Gefahr, nicht dafür
bezahlt zu werden. Zweifellos würde er Kunden finden, von
deren Zuverlässigkeit er ganz überzeugt ist, und andere, denen
er zwar weniger vertraut, von denen er aber aus irgendwelchen
Gründen glaubt, daß sie bezahlen werden. Das Ausmaß des Risikos
wird gemildert sowohl durch die Notwendigkeit, die Firma mit
einer gewissen Auslastunng in der Gewinnzone zu halten als
auch durch die Höhe des Gewinns, der bei unterschiedlicher
Auslastung zu erzielen ist.
Die Notwendigkeit, ein Unternehmen am Laufen zu halten, wird
sicherstellen, daß Geschäfte und auch Kredite mit Kunden weiterlaufen
werden. Das Risiko dabei wird aber ausschließlich von den
Kreis der Firmen oder Einzelpersonen getragen, die den Kredit
gewähren. Heute ist das noch ganz anders, denn heute gewähren
Banken den Kredit und produzieren damit Inflation, die jeder
Geldeinheit Kaufkraft stiehlt. Das Risiko tragen also die
Sparer und ebenso alle, die von einem festen Einkommen abhängen.
Kommt es zu solchen neuen Gesetzen, so wird der einzige Rückhalt
der Geldverleiher die Integrität der Kreditnehmer sein, gleich
wie diese im einzelnen finanziell gestellt sind. Ohne sich
der Verläßlichkeit eines Kreditnehmers sicher zu sein, würden
wohl wenige ihr Bargeld oder ihre Ersparnisse riskieren. Heute
dagegen ist Verläßlichkeit eines Kreditnehmers oft weniger
wichtig als die Möglichkeiten der Kreditgeber, die Kreditbedingungen
gesetzlich durchzudrücken. Wenn dieser Rückhalt in der Gesetzgebung
nicht mehr bestünde, würde die gesellschaftliche Nachfrage
nach persönlicher Integrität wachsen und entsprechende Verhaltensänderungen
bewirken.
Die hier vorgeschlagenen Gesetzesänderungen können auf zweierlei
Weise in die Praxis umgesetzt werden:
. Bestehende Kredite dürfen dem heutigen gesetzlichen Rahmen
entsprechend weiterlaufen, so daß nur die nach einem Stichtag
gewährten Darlehen nicht mehr gesetzlich eintreibbar werden;
oder
2. Alle Schulden werden sofort als nicht mehr gesetzlich
eintreibbar erklärt
Für die zweite Variante müssen die Gesetzesänderungen gleichzeit
auch alle bestehenden Schulden in Eigentumsansprüchen umwandeln,
außer in Fällen, wo Schuldner und Gläubiger übereinkommen,
die Anleihe tatsächlich in Form eines Darlehens weiterzuführen.
Alle Gesetzesänderungen müssen Schuldner und Gläubiger gleichwertig
und gerecht behandeln. Natürlich wird es auch skrupellose
Schuldner geben, die sich je nach Möglichkeit einfach weigern,
ihre Schulden zu begleichen. Zumindest muß jedes bestehende
Schuldverhältnis in eine entsprechende Beteiligung an dem
Unternehmen umgewandelt werden, in das investiert wurde. Also
müssen Banken Anteile der Unternehmen erhalten, denen sie
Geld geliehen haben. Andererseits müssen auch Banken in dem
Maß, wie sie die Einlagen ihrer Kunden nicht bar decken können,
diesen Kunden Beteiligungen überlassen.
Gesetze zum Schutz der Geldverleiher abzuschaffen und Darlehen
in Eigentum umzuwandeln _ die gleichzeitige Durchführung beider
Maßnahmen, kann für die Gesellschaft auf folgende segensreiche
Wirkungen entfalten:
1. Die Produktion neuer Geldeinheiten durch die Banken
wird beendet. Auf diese Weise kann Inflation vollkommen angehalten
werden, die bestehenden Geldeinheiten verlieren nichts mehr
von ihrer Kaufkraft. Sparen und wirtschaftliches Verhalten
wird wieder unterstützt werden.
2. Viele Geldeinheiten, die ihrem Binnenmarkt entweder
auf Zeit oder geographisch entzogen waren, werden in
Beteiligungen umgewandelt. Dadurch wird verhindert,
daß sie wieder als Geld in ihren Binnenmarkt eingeschleust
werden und die dort bestehenden Geldeinheiten entwerten.
3. Die willkürliche Umverteilung von Tauschwert
durch die Banken wird beendet. Kaufkraft würde nicht
mehr Anlegern entzogen und auf Kreditnehmer übertragen
werden. Indem man diesen Umverteilungsmechanismus eliminiert,
macht man auch ein Besteuerungssystem überflüssig, das
Kaufkraft und Tauschwerte wieder zurückverteilen soll.
4. Es wird dazu beitragen, daß der innere Wert eines
Unternehmens wieder Hauptfaktor bei Investitionsentscheidungen
wird. Bisher neigten Banken dazu, nur solchen Firmen
Geld zu leihen, die ausreichende Sicherheiten besaßen.
Menschen mit wertvollen Ideen und Projekten, aber ohne
entsprechende Sicherheiten hatten oft keine Chance,
Kapital aufzutreiben. Bei Beteiligungsinvestitionen
hängt der Erfolg des Investors ausschließlich vom Erfolg
des Unternehmens selbst ab: Chancengleicheit auf Basis
von Leistungsfähigkeit würde plötzlich wieder Wirklichkeit
werden.
Nichts davon wird sich herbeiträumen lassen. Dazu brauchen
wir gesetzgeberische Initiative. Danach wird eine längere
Anpassungs- und Übergangszeit nötig sein, bis sich die neue
Situation wieder stabilisiert. Auch wird der Weg zu einer
gesünderen Wirtschaft nicht leicht sein. Die westlichen Volkswirtschaften
sind momentan durch und durch krank. Linderungs- und Beschönigungsversuche
haben versagt. Jetzt bedarf es eines massiven 'chirurgischen
Eingriffs' und der notwendigen Zeit zum Heilen. Die letzten
beiden Kapitel befassen sich deshalb mit der Art des chirurgischen
Eingriffs, mit den zur Heilung des Systems nötigen Schritten
und mit den Vorteilen, die für uns alle daraus erwachsen können.
[Nach oben]
Ein massiver chirurgischer Eingriff
Jetzt müssen wir uns mit einer ziemlich ernsten und schwierigen
Frage auseinandersetzen: Wollen wir unser heutiges unredliches,
unsauberes Bankwesen und Währungssystem wirklich in ein redliches
und ehrliches System umwandeln?
Wollen wir das nicht, war alles bisherige lediglich eine
intellektuelle Gedankenspielerei. Wenn wir es aber wollen,
können wir tatsächlich beginnen, uns den Problemen von Inflation,
Verschuldung, Arbeitslosigkeit und aufgeblähten Staatshaushalten
zuzuwenden.
Natürlich besitzt keiner von uns einen Zauberstab, mit dem
er alles nach Wunsch wahr machen kann. Jeder von uns aber
ist in der Lage, das Problem zu durchdenken, die notwendigen
Maßnahmen zu verstehen und unsere gewählten Repräsentanten
zu beeinflussen. Es gibt genug Beispiele dafür, wie Politiker
den Menschen gefolgt sind, wenn diese nur zahlreich genug
und klare Vorbilder waren.
Die Maßnahmen, die nötig sind, um das Bankwesen von der Produktion
neuer Geldeinheiten abzuhalten, sind recht direkt und klar.
Es müssen Gesetze verabschiedet werden, die Kreditvereinbarungen
vom Stichtag der Verabschiedung an nicht mehr gesetzlich eintreibbar
machen. Diese Gesetze müssen sich mit allen bestehenden gesetzlichen
Bestimmungen auseinandersetzen, die jeder Form von Kreditgeber
Verleiher, Anleger oder Gläubiger Schutz gewähren. Die neuen
Gesetze müssen prinzipiell, ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens,
für alle Schulden, Darlehen und Einlagen, die danach neu vereinbart
werden, jegliche Art der Schuldeneintreibung, jegliche öffentliche
Hilfe für Schuldeneintreiber und jegliches gesetzliche Vorgehen
gegen Schuldner abschaffen _ einschließlich des Konkursverfahrens.
Davon ausgenommen sollten eventuell nur Steuerverfahren sein.
[Nach oben]
Option 1: Bestehende Darlehen dürfen nach heutigen Bestimmungen
weiterlaufen
Nach dieser Option wird sich für bestehende Schulden, bereits
gewährte Kredite oder vor dem Inkrafttreten der neuen Gesetze
getätigt Einlagen nichts ändern. Sie werden weiterhin nach
den gesetzlichen Regelungen eintreibbar sein, die zum Zeitpunkt
des Vertragsabschlusses galten.
Die Änderungen im Steuergesetz müssen gleichartig strukturiert
sein. Um Zinszahlungen und Dividenden gleichberechtigt zu
machen, muß entweder die Auszahlung von Gewinnbeteiligungen
und Dividendenzahlungen als Abzug vor der Steuerfestsetzung
erlaubt sein, oder Zinszahlungen müssen ebenfalls aus dem
versteuerten Gewinn kommen. Viele Firmen hängen aber in einem
solchen Ausmaß von Fremdfinanzierung ab, daß sie sich nach
Abzug der Steuer die Zinszahlungen auf die laufenden Kredite
nicht mehr leisten könnten. Damit diese Firmen überleben können,
müssen sie weiterhin die Zinszahlungen vor der Versteuerung
vom Gewinn abziehen dürfen. Und wenn bestehende Kredite weitergeführt
werden dürfen, müssen auf solche Kredite auch die vor der
Gesetzesänderung gültigen Steuergesetze weiter anwendbar sein.
Nach den neuen Gesetzen wird Verschuldung aber keine attraktive
Option mehr darstellen, und die Geldverleihaktivitäten der
Banken und des gesamten Bankwesens werden wegen des Mangels
an Sicherheit langsam aufhören. Bestehende Darlehen werden
früher oder später, je nach Laufzeit und Fälligkeitstermin,
zurückgezahlt sein. Dadurch werden Geldeinheiten, die ihrem
Binnenmarkt entweder auf Zeit oder geographisch entzogen waren,
dem Markt wieder zugeführt. Dies erst wird den tatsächlichen
Umfang der Geldmenge des betreffenden Landes zutage bringen.
Dann auch wird es endlich möglich, den inländischen und internationalen
Tauschwert einer Währung genau zu bestimmen. Dieser Prozeß
kann jedoch erst beginnen, wenn alle bestehenden Kredite zurückgezahlt
sind. Und das kann sehr lange dauern.
Vielen werden diese Änderungen nicht ausreichend vorkommen,
weil sie die gegenwärtige Schuldenlast bestehen lassen. Firmen
könnten noch nach dem alten Schuldrecht in Konkurs getrieben
werden. Und die Zinsen müßten ebenfalls weiterhin bezahlt
werden. Beide Faktoren würden immer noch zur wachsenden Arbeitslosigkeit
beitragen.
Was die Zinsen für die Staatsverschuldung den Steuerzahler
kosten, ist astronomisch. Die Berechtigung dieser Kosten kann
man mit gutem Grund in Frage stellen. Wenn die Regierung der
einzig rechtmäßige 'Hersteller' von Geld ist, warum erlaubt
der Staat dann anderen, in diesem Fall den Banken, Geld zu
'produzieren', und zahlt ihnen dafür auch noch Zinsen? Es
ist doch sonst üblich, daß der Lizenznehmer an den, der ihm
die Lizenz gewährt hat, Tantiemen oder Gebühren zahlt. Also
sollten die Banken dem Staat Tantiemen zahlen, und nicht umgekehrt
der Staat den Banken Zinsen. Staatshaushalte ließen sich enorm
reduzieren, wenn man die Zinszahlungen abschaffen würde.
[Nach oben]
Option 2: Alle Kreditforderungen werden sofort in Beteiligungen
umgewandelt
Eine vollständige Umwandlung aller Ansprüche auf Rückzahlung
ausgegebener Kredite in Beteiligungen ist eine radikalere,
aber auch sauberere Lösung. Freilich ist dazu eine umfassendere
Gesetzgebung nötig, die je nach Land unterschiedlich ausgeformt
sein muß. Hier können deshalb nur die wichtigsten Grundstrukturen
angesprochen werden.
Wir werden neue Gesetze brauchen, die sämtliche Bestimmungen
zum Schutz jeder Form von Geldverleihern, Anlegern oder Gläubigern
abschaffen. Mit Ausnahme von Maßnahmen zur Beitreibung von
Steuerschulden muß der Gesetzgeber auch jede Art der Schuldeneintreibung,
jede Unterstützung für Schuldeneintreiber und jedes Vorgehen
gegen Schuldner, einschließlich der Verhängung und Abwicklung
des Konkurses, aus dem Befugnisbereich der Polizei, der Gerichte
oder anderer öffentlicher Institutionen des Rechtssystems
streichen. Gleichzeitig müssen alle bestehenden Forderungen
in Beteiligungen umgewandelt werden. Das wird mit Sicherheit
eine riesige Aufgabe werden. Das Eigentumsrecht gelieferter
Ware muß, falls sie mit Kredit bezahlt wurde, auf denjenigen
übergehen, der den Kredit gegeben hat. Ausnahmen darf es nur
geben, wenn beide Parteien übereinkommen, die Verschuldung
als Kredit weiterzuführen _ vorausgesetzt, sie sind sich voll
bewußt, daß die Schuld nicht mehr gesetzlich eintreibbar ist.
Diese beiden Gesetze werden natürlich zu Situationen führen,
in denen die Beteiligten zur Klärung ihrer Ansprüche Hilfe
von unabhängiger Seite brauchen. Dazu werden spezielle Schlichtungsstellen
einzurichten sein, die den Parteien helfen, eine Einigung
ihrer Fälle zu finden. Diese Gerichte würden sich finanziell
selbst tragen, und zwar durch Gebühren, die einen festgelegten
Prozentsatz des Streitwertes ausmachen und anteilmäßig von
beiden Parteien bezahlt werden. Es wird also im Interesse
der Parteien sein, sich zu einigen, bevor Gebühren fällig
werden. Jeder stünde unter einem gewissen Druck, eine Einigungsbasis
zu finden und dadurch die Kosten der Schlichtung zu vermeiden.
Die Umwandlung von Kreditrückzahlungsforderungen in Eigentumsanteile
wird die Frage der Gewichtung der verschiedenen Ansprüche
den Banken gegenüber aufwerfen. Keine Bank hätte wohl ausreichend
Barbestände, um den Forderungen aller ihrer Anleger gerecht
zu werden. Die berechtigten Ansprüche müssen also nach gewissen
Prioritäten geordnet werden. Kunden mit Girokonten, die ihr
Geld nur bei der Bank geparkt haben, sollten den Vorrang besitzen.
Diejenigen Kunden, die ihr Geld als Investitionen in verzinsten
Konten angelegt haben, kämen danach und befänden sich in der
Situation, daß sie jetzt das tatsächliche Risiko ihrer Investition
zu tragen hätten.
Ungedeckte Ansprüche müssen dann in Aktien an der betreffenden
Bank umgewandelt werden. Denn jede Bank leiht sich Geld von
ihren Kunden, und alle nach der Verteilung der Barbestände
übrigen Ansprüche bedeuten einen Anspruch auf das gesamte
restliche Vermögen der Bank. Indem sie anstelle von Bargeld
mit Beteiligungen zahlen, werden Banken zu riesigen Holdinggesellschaften,
die proportional zum jeweiligen finanziellen Beitrag sowohl
den ursprünglichen Aktionären als auch den Kunden gehören,
die nicht in bar ausbezahlt werden konnten.
Auch verschuldete Privatpersonen werden in Höhe der Verschuldung
Beteiligungen an ihrem Vermögensstand ausgeben müssen, verschuldete
Firmen Beteiligungen an der Firma selbst. Darlehensgeber werden
damit zu Teileigentümern der Vermögenswerte, die durch ihr
Darlehen mit erworben wurden. Einzelpersonen oder derzeitige
Aktionäre werden auf diese Weise nicht mehr die ausschließliche
Kontrolle über Vermögenswerte besitzen, die sie mittels Kredit
erworben haben. Bei Einzelpersonen könnte das so aussehen,
daß ein gemeinsames Eigentumsrecht mit einem oder mehreren
Gläubigern vereinbart wird, die dann über denjenigen Anteil
der Vermögenswerte Kontrolle erhalten, der der unbezahlten
Schuld entspricht. Wäre der Vermögenswert beispielsweise ein
Haus, könnte man für seine Benutzung eine angemessene Miete
vereinbaren, und der Schuldner müßte seinem neuen Miteigentümer
_ dem Gläubiger _ den entsprechenden Anteil einer solchen
Miete bezahlen. Oder man könnte sich darauf einigen, das Haus
zu verkaufen. Dem Schuldner und dem Gläubiger gehörte ja jeweils
ein Teil des Hauses, also hat jeder Anspruch auf den entsprechenden
Anteil des Verkaufserlöses. Bei Firmen wird die Verschuldung
durch neue Aktien ersetzt, und die neuen Aktionäre werden
ihr Stimmrecht ausüben dürfen. Dadurch könnte sich die Kontrolle
zu den neuen Aktionären verlagern.
Regierungen gehören üblicherweise zu den größten Schuldnern
einer Volkswirtschaft. Deren Schulden in Anteile für die Kreditgeber
umzuwandeln, das erfordert wieder einen etwas anderen Ansatz.
Regierungen können zwar Beteiligungen an ihrem Sachvermögen
ausstellen, nicht aber Beteiligungen am Staat selbst. Doch
können sie, nachdem alle verfügbaren Vermögenswerte zu Aktien
umgewandelt wurden, für den Gesamtwert der übrigen Staatsverschuldung
neue Banknoten und Münzen herausgeben.
Viele definieren das Drucken neuer Geldeinheiten selbst schon
als inflationär. Das ist jedoch nicht unbedingt immer der
Fall. In dem Umfang, wie Banken an den Staat Geld verliehen
haben, würde diese Schuld lediglich in Form des neu gedruckten
Geldes als greifbarer Vermögenswert zurückgezahlt, der noch
dazu von den Bankkunden rechtmäßig beansprucht werden kann.
Die umlaufende Geldmenge würde sich also nicht erhöhen, sondern
nur ihre Form ändern. Bisher ungedeckte Forderungen von Bankkunden
werden damit zu gedeckten Forderungen.
Werden die Staatsschulden bei den anderen Gläubigern, die
keine Banken sind, auf diese Weise beglichen, wird dies nichts
weiter bewirken, als vorübergehend vom Markt entfernten Geldeinheiten
wieder greifbare Form zu verleihen. Natürlich wird man diese
neu auf den Markt zurückgekehrten Geldeinheiten spüren, doch
wäre das früher oder später ohnehin geschehen. Denn nach Ende
ihrer Laufzeit wären die Staatsanleihen beispielsweise wieder
auf Girokonten zurückbezahlt worden und hätten sich dann bemerkbar
gemacht. Schlimmstenfalls könnte man dieser Methode, Staatsschulden
bei anderen Gläubigern als den Banken einfach durch das Drucken
neuer Noten und Prägen neuer Münzen zu begleichen, den Vorwurf
machen, daß sie eine Inflation nur noch beschleunigt, die
durch das Geldverleihverhalten der Banken ohnehin vorprogrammiert
war und im Anmarsch ist.
[Nach oben]
Gesundes Geld
Wenn die anhaltende Produktion neuer Geldeinheiten
durch die Banken erst einmal zum Stillstand gekommen
ist, wenn ausreichend neue Geldeinheiten zur Rückführung
der Staatsschulden produziert worden sind, wenn Geldfälschungen
unter Kontrolle sind, und wenn Regierungen und Zentralbanken
keine neuen Scheine und Münzen mehr produzieren dürfen
außer zum Ersatz beschädigten oder abgenützten Geldes
(aber sonst nicht einmal mehr für internationale Devisentransaktionen),
dann wird es keinen Weg mehr zur Ausweitung der Geldmenge
geben. In der Folge wird das Geld seinen eigenen realistischen
Tauschwert von selbst finden.
Gewiß: Die von der Regierung produzierten neuen Scheine und
Münzen zur Tilgung der Staatsschuld werden die Menge des für
Transaktionen verfügbaren Geldes erhöhen und so den Tauschwert
des Geldes noch einmal senken. Das bedeutet also eine weitere
Inflationsrunde. Aber diese wird dann die letzte sein, denn
danach wird die Währung nicht mehr entwertet werden, und es
wird keine weitere Inflationswelle mehr folgen können.
In welchem Maß diese Neuproduktion von Geld die Geldmenge
erhöht, läßt sich vielleicht am besten durch eine Berechnung
illustrieren, die ich vor einigen Jahren anstellte: Im Juni
1985 betrug die gesamte Staatsverschuldung der Vereinigten
Staaten 6,525 Billionen (6.525.000.000.000) Dollar. Die im
Umlauf befindliche Geldmenge, einschließlich aller Bankeinlagen,
lag bei 3,136 Billionen Dollar, also weniger als die Hälfte
der Staatsschulden. Hätten diese Schulden nicht den Banken
sondern anderen Gläubigern gegenüber bestanden und wären folglich
zur Schuldentilgung die neu herausgegebenen Scheine und Münzen
direkt in den Verkehr gebracht worden, dann hätte sich die
im Umlauf befindliche Geldmenge auf 9.661 Milliarden Dollar
verdreifacht. In Großbritannien wäre die Lage ähnlich gewesen,
denn zum gleichen Zeitpunkt betrug die umlaufende Geldmenge
dort 138,5 Milliarden Pfund Sterling, gegenüber einer Staatsschuld
von 170,7 Milliarden: Die Geldmenge in Großbritannien wäre
maximal auf das 2¼ fache angewachsen.
Von einem solchen Anstieg der Geldmenge wären aber eben die
Beträge abzuziehen, die der Staat den Banken schuldet, denn
die zur Deckung dieser Schulden neu produzierten Geldeinheiten
würden direkt in die Tresore der Banken wandern und Bankkunden
gegen ihre Ansprüche zur Verfügung stehen. Diese Ansprüche
waren aber auch zuvor schon Teil der Gesamtgeldmenge. Die
Rückführung von Staatsschulden in der Form von Geldeinheiten,
die vom Staat (und eben nicht vom Bankensystem) produziert
werden, hat noch einen weiteren Vorteil: Sobald die Staatsschulden
durch Herausgabe neuer Geldeinheiten beglichen sind, wird
der Staat keine Tilgungsleistungen mehr erbringen müssen,
keine Zinszahlungen. Also wird sich der Staatshaushalt spürbar
reduzieren, und das kommt allen Steuerzahlern zugute.
Sobald sich durch diese Schritte eine stabile Geldmenge etabliert
hat, wird es notwendig werden sich dem dem Mechanismus zuzuwenden,
der die Grenzwerte des Tauschwerte von Geld bestimmt. Zu Zeiten,
da Menschen über den Wert von Geld unsicher sind, dürfte natürliches
Eigeninteresse sie davon abhalten, es einfach aufzubewahren.
Daraus ergibt sich ein Mangel an Geldnachfrage, der den Wert
des Geldes unter seinen realen Wert drückt. Viele wollen dann
ihr Geld erst recht abstoßen, was die Nachfrage noch weiter
drückt. Andererseits kann die Geldnachfrage für Transaktionen
wie Kauf und Verkauf nicht unter ein gewisses Minimum sinken,
das die Bevölkerung zum Überleben auf einem bestimmten Niveau
benötigt. Deshalb muß auch die Nachfrage nach Geld eine Untergrenze
besitzen. Bei einer festgelegten Geldmenge würde sich diese
Mindestnachfrage recht bald herauskristallisieren.
Natürlich kann man sich auch fragen, wie hoch der Geldwert
steigen könnte. Um zu vermeiden, daß Geld gehamstert wird,
wenn es in Wert gestiegen ist, und daß dadurch die für Transaktionen
verfügbare Geldmenge weiter reduziert wird, ihr Wert also
noch höher steigt _ um das zu vermeiden, sollte man zu Tauschgeschäften
ermutigen. Wenn Geldersatz in Form von Realwerten rechtmäßig
als Währung angenommen wird, reduziert sich die Nachfrage
nach Geld in dem Maß, wie bei Transaktionen derartige Ersatz-'Währung'
akzeptiert wird, und die Aufwärtsspirale des Geldwertes wird
entsprechend gedämpft. Unter normalen Umständen werden im
Lauf der Zeit sowohl die Bevölkerungszahl wie auch deren Ansprüche
steigen. Das wird zu einer gesteigerten Nachfrage nach Geld
führen und damit allmählich den Mittelwert erhöhen, um den
der Wert einer festen Geldmenge pendeln wird. Ersatzwährungen
werden auch hier den Anstieg dieser Mittelwerte vermeiden
helfen und damit Preisstabilität unterstützen.
Wenn Geldfälschung unterbunden und die Produktion neuen Geldes
auf den Ersatz abgenutzter oder beschädigter Einheiten beschränkt
bleibt, kann die Gesamtgeldmenge nicht ansteigen. Jeglicher
Anstieg der Gesamtheit von Bankeinlagen wird auf Geld beschränkt
sein, das aus privaten Händen oder aus dem Ausland kommt.
Solche Zahlen lassen sich mit einer gewissen Genauigkeit vorausberechnen.
Durch aufmerksame Überwachung der Summe aller Bankeinlagen,
sowohl in- als auch ausländischer, sollten die Währungshüter
eines jeden Landes schnell in der Lage sein, eventuelle Undichtigkeiten
im System und deren Ursachen aufzuspüren.
[Nach oben]
Neue alte Wertmaßstäbe
Wenn nun ein solchermaßen festgelegtes Papiergeldsystem ohne
umfangreiche Kreditaktivitäten eingeführt ist, werden zwei
Bewertungsprozesse einsetzen: Der Wert des Geldes wird neu
festgelegt und an den gehandelten Gütern und gebotenen Dienstleistungen
gemessen, und umgekehrt werden auch die Mengen der Güter und
Dienstleistungen an dem dafür notwendigen Geld gemessen. Beide
Prozesse werden Bestandteil eines jeden Geschäfts sein, also
laufend stattfinden, jeden Tag, Stunde für Stunde, Minute
für Minute, Transaktion für Transaktion. Bis der Wert des
Geldes sich einzupendeln beginnt, wird bestimmt in Einzelhandelsgeschäften
und Restaurants, aber auch allgemein von Firma zu Firma viel
mehr um Preise gehandelt werden als jetzt. Preise werden nicht
fest sein können, denn der genaue Wert des Geldes steht nicht
fest. Auch Käufer und Verkäufer werden sich der Stärken und
Schwächen ihrer Position ungewiß sein. Schließlich aber werden
sich die Schwankungen des Geldwertes beruhigen und Käufer
wie Verkäufer die Stärken und Schwächen ihrer Position abschätzen
können.
Sobald die Menschen feststellen, daß der Wert des Geldes
seiner Untergrenze nahekommt, werden manche, in der Hoffnung,
daß der Geldwert wieder steigt, einen Teil davon aufbewahren.
Dies wird unvermeidlich zu einem Anstieg des Geldwertes und
zu sinkenden Preisen führen. Das bedeutet eine neue Problemstellung:
Zum Senken und Anheben der Preise von Gütern und Dienstleistungen
gibt es Mechanismen, aber keine zum Senken von Löhnen und
Gehältern, wenn der Geldwert ansteigt. Dieser Frage wird man
sich also widmen müssen
.Wenn Gehälter mehr Kaufkraft besitzen als zuvor, wird man
sich bestimmt freuen _ solange man Gehaltsempfänger ist. Als
Arbeitgeber dagegen erhält man bei sinkenden Preisen weniger
Geldeinheiten für seine Waren oder Dienstleistungen. Die Geldeinheiten
selbst mögen zwar die gleiche Kaufkraft haben, zahlenmäßig
ist es aber einfach weniger Geld. Wenn jedoch Löhne und Gehälter
gleich bleiben, erhalten die Angestellten mehr vom erwirtschafteten
Gewinn, der Gewinn eines Geschäftes gerät unter Druck, und
das Überleben der Firma ist gefährdet. Aus den daraus notwendigerweise
folgenden Verhandlungen wird die gegenseitige Abhängigkeit
von Managern, Angestellten und Aktionären viel deutlicher
werden, und aus dieser Erkenntnis können gegenseitige Achtung
und Zusammenarbeit erwachsen.
Diejenigen unter uns, die etwas für die sprichwörtlichen
'schlechten Zeiten' beiseite legen wollen, werden sich nicht
mehr um wirkliche Entscheidungen drücken können, indem sie
beispielsweise einfach ein Sparkonto _ also eine Verschuldung
der Bank ihnen gegenüber _ als Methode der Aufbewahrung oder
Investition wählten. Vielmehr werden wir unser Geld entweder
so wie es ist aufbewahren oder es unwiderruflich gegen etwas
anderes eintauschen müssen. Aufbewahren und Unterbringen von
Geld werden einen viel teureren Weg darstellen als bisher.
Banken würden den Hauptanteil ihrer Betriebskosten nicht mehr
durch Zinseinnahmen decken können. Ein gewisses Einkommen
könnten sie durch Gebühren für Aktienvermittlung erzielen
oder für andere Dienstleistungen, die sie ihren Kunden anbieten,
doch ganz ersetzen können sie damit ihre ehemaligen Zinseinnahmen
nicht. Banken müssen also nicht nur insgesamt wirtschaftlicher
arbeiten, sondern sie kommen auch nicht mehr umhin, für die
Lagerung von Kundengeldern erhebliche Aufbewahrungskosten
zu verlangen. Geld in der Bank zu lassen wird zu einer relativ
teuren Alternative werden.
Im Vergleich dazu werden sich für die meisten von uns Eigentumsanlagen
als viel attraktiver erweisen, seien es Aktien, eine Teilhaberschaft,
unser eigenes Unternehmen, oder einfach Güter oder Immobilien,
von denen wir einen Wertanstieg erwarten. Wer aus seinen Investitionen
Dividenden erhält, wird diese auch viel eher wieder in Eigentum
anlegen, anstatt sie nur aufzubewahren. Auf solche Weise wird
der Anteil der Geldmenge, die für Investitionen zur Verfügung
steht, laufend erneuert und mit den diversen angebotenen Anlagemöglichkeiten
verglichen. Es wird einen kontinuierlichen Fluß von Kapital
für Beteiligungsinvestitionen geben, das entweder zum Kauf
neuer Unternehmen, Waren, Produkte oder Immobilien oder zum
Erwerb bestehenden Eigentums vom vorhergehenden Eigentümer
verwendet wird. In diesem Fall wird der vorhergehende Eigentümer
mit dem erhaltenen Geld die gleichen Entscheidungen zu treffen
haben. Das Ergebnis wird ein kontinuierlicher Kapitalfluß
für neue Sachinvestitionen sein. Dauerhaftes Wirtschaftswachstum
ist eine natürliche Folge eines Wirtschafts- und Währungssystems,
das auf Eigentum basiert.
Dennoch werden manche ihr Geld für die Zukunft aufbewahren
wollen. Dann müssen sie entweder jemandem, der dafür seine
sicheren Aufbewahrungsräume zur Verfügung stellt, eine entsprechende
Gebühr zahlen, oder sie müssen eigene Tresore bereitstellen.
Solches privates Hamstern würde die Geldmenge, die für den
gegenwärtigen Umfang an Transaktionen zur Verfügung steht,
verringern. Die Nachfrage nach Geld würde steigen, sein Wert
würde steigen, unnd Preise würden sinken.
Dieser Preisrückgang hätte zwei Folgen: Zunächst würde er
Geldeinheiten aus Sparern herauslocken, denn sie würden den
Vorteil der erhöhten Kaufkraft ihres Geldes nützen wollen.
Sowie sie zusätzliche Geldeinheiten aus ihrer jeweiligen Aufbewahrungsform
holen und es für Transaktionen verwenden, wird die für Transaktionen
verfügbare Geldmenge ansteigen. Der Geldwert wird sinken,
und die Preise werden wieder ansteigen. Die zweite Auswirkung
kennen wir schon. Transaktionen werden zunehmend mit Ersatzmitteln
abgewickelt werden. Wenn der Tauschwert von Scheinen und Münzen
ansteigt und das Aufbewahren oder Hamstern von Geld attraktiv
wird, muß man zum Abwickeln seiner Transaktionen etwas anderes
finden. Hier also kommen die Tauschmittel ins Spiel. Bestimmt
werden manche dafür Gold verwenden, andere werden einfach
ihre eigenen Produkte oder Dienstleistungen eintauschen. So
wird sich vermutlich der Tauschhandel wieder vermehrt durchsetzen,
es werden andere Produkte als nur Geld als Zahlungsmittel
akzeptiert werden. Jede dieser Transaktionsmethoden wird bewirken,
daß sich die Geldmenge erhöht, und zwar nach dem tatsächlichen
Bedarf.
Als Endergebnis aller dieser Prozesse wird sich eine Norm
etablieren, um die der Geldwert schwankt. Je mehr Erfahrung
wir mit solchen Transaktionen sammeln, desto geringer wird
diese Schwankung werden. Daraus wird schließlich eine echte
und dauerhafte Preisstabilität wachsen.
[Nach oben]
Die Neue Rolle der Banken
Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen an sich werden weder
irgendeine einzelne Bank geschweige denn das Bankensystem
als Ganzes aus dem Geschäft werfen. Es bleiben nach wie vor
gültige und wichtige Aufgaben für die Banken. Bleiben wird
der Bedarf an sicherer Aufbewahrung und Verteilung von Geld
bei minimalem Risiko. Anleger, die ihr Geld gegen Beteiligungen
oder Aktien eintauschen wollen, brauchen nach wie vor jemanden,
der sie mit Personen oder Firmen zusammenbringt, die auf der
Suche nach Kapital sind. Die bestehende Belegschaft in den
meisten Filialen unserer Banken ist am besten dazu in der
Lage, sowohl die lokalen Marktaktivitäten in jeder Hinsicht
zu unterstützen als auch durch die nationale und internationale
Vernetzung der Banken Information und Verbindungen zu vermitteln.
Durch die Umwandlung von Kreditforderungen in Eigentum werden
Banken gleichzeitig auch in großem Maß Aktionäre und Teilhaber.
Viele ihrer früheren Kredite werden zu Beteiligungen umgewandelt
worden sein, deren Wert nun erst festgestellt werden muß.
Dieser Wert wird einen großen Einfluß auf den Wert der Anteile
haben, die nun in den Händen von den ehemaligen Anlegern und
jetzigen Miteigentümern der Bank sind. In jeder Hinsicht bieten
sich bestehende Banken als logische Basis für den neuen Aktienmarkt
an, der daraus entsteht, daß viele, die Bargeld bräuchten,
stattdessen plötzlich Aktien erhalten, und daß viele in Eigentum
investieren wollen, anstatt ihr Geld einfach nur aufzubewahren.
Die natürlichen Marktvorgänge werden auch dafür sorgen, daß
sich ein genaueres und verläßlicheres Maß für den Wert von
Gütern und Dienstleistungen herauskristallisiert. Statt Tausch
steht nur eine Alternative zur Wahl: Aufbewahrung. Diejenigen
aber, die ihr Geld lieber für sich arbeiten lassen wollen,
als daß es sich durch Aufbewahrungskosten selbst aufzehrt,
werden es gegen Sachwerte, also eine Unternehmensbeteiligung,
oder Immobilien, Produkte oder Dienstleistungen, eintauschen
wollen. Alle diese Eigentumsformen sind allerdings jeweils
auch mit Risiken behaftet. Jeder potentielle Anleger muß demnach
die Zukunftschancen einer jeden Anlagemöglichkeit genau untersuchen.
Und nachdem solche Transaktionen endgültig sind, werden gegenwärtiger
und zukünftiger Wert sorgfältiger und kritischer bewertet
werden als bisher. Zweitklassige Produkte mit eingebautem
Verschleiß werden wohl kaum ihren Wert behalten, sei es aus
der Sicht eines Investors oder der eines Endverbrauchers.
Qualität und Haltbarkeit werden also eine viel wichtigere
Rolle spielen als bisher.
Wenn man sich beispielsweise die unter dem neuen System nötigen
Voraussetzungen für die Finanzierung eines Hauses betrachtet,
wird die Bedeutung kritischer Werteinschätzung deutlich. Nachdem
Hypotheken oder Darlehen als Möglichkeiten ausscheiden, müssen
Kaufinteressenten für ein Haus einen Miteigentümer suchen,
mit dem sie sich auf einen gemeinsamen Besitzstand einigen
können. Jedem Miteigentümer des Hauses, sei es eine Einzelperson
oder eine Firma, würde ein genauer Anteil des Hauses gehören.
Der darin wohnende Eigentümer würde jedem der Miteigentümer
eine entsprechende Miete zahlen. Nötigenfalls könnten sich
alle Eigentümer auf einen Mietkauf einigen, wodurch der Bewohner
von seinen Miteigentümern mit der Zeit weitere Anteile des
Hauses erwirbt, damit es ihm letzten Endes wirklich ganz gehört.
Unabhängig davon welche Vereinbarung getroffen wird, hängt
der Wert aller Hausanteile vom Wert des ganzen Hauses ab.
Wenn es heruntergewirtschaftet wird, verliert jeder Miteigentümer.
Auch dürften potentielle Anleger viele der heutigen Bauverfahren
mit Mißtrauen betrachten. Daß zu neues, feuchtes Holz verwendet
wird, das sich wirft und verzieht, dürfte für kritische Anleger
nicht akzeptabel sein. Baumaterialien dagegen, die sich langfristig
bewährt haben, werden gefragt sein, denn sie sichern die Anlage
gegen das Risiko des Wertverlustes. Ähnlich werden solche
Bewohner sehr gefragt sein, von denen man weiß, daß sie sich
um ihr Haus kümmern. Als nachlässig bekannte Hausbesitzer
werden es schwer haben, ein Haus über Miteigentümer zu finanzieren.
[Nach oben]
Neue Perspektiven
Jedes Produkt, jede Dienstleistung und alle Waren und Grundstücke
werden aus dieser neuen und kritischen Sicht betrachtet werden.
Jeder einzelne von uns wird den Tauschwert aus persönlicher
Sicht laufend neu bewerten und ihn dann auf seine eigenen
Produkt- und Dienstleistungsangebote anwenden müssen. Alle
individuellen Bewertungen werden sich gegenseitig beeinflussen,
und die daraus entstehenden Änderungen werden sich ihren Weg
im Markt bahnen. Die Auswirkung dieser Änderungen wird beträchtlich
sein. Es wird eine anhaltende Neubewertung der Marktpreise
unter laufend sich wandelnden Bedingungen und Prioritäten
stattfinden.
Wie sehr Eigentümer, Teilhaber, Aktionäre, Manager, Angestellte,
Lieferanten und Kunden wirklich voneinander abhängig sind,
wird dadurch viel deutlicher werden. Jedes Unternehmen wird
ein Gemeinschaftsunternehmen sein, obwohl die daran beteiligten
Einzelpersonen alle in persönlichem Interesse handeln. Denn
anhaltender Wohlstand benötigt kontinuierlicher Zusammenarbeit
auf allen Ebenen als Grundlage und Voraussetzung.
[Nach oben]
Weltweiter Wandel
Angewendet auf internationaler Ebene, kann die Umwandlung
von Verschuldung in Anteile und die Rückführung von
Staatsverschuldung durch Ausgabe neuer Banknoten und
Münzen auch das internationale Verschuldungsproblem
lösen. Nationen mit erstickenden Auslandsschulden bietet
sie einen praktischen Weg, ihre internationale Verschuldung
zu begleichen, ohne die politischen und wirtschaftlichen
Opfer, die gegenwärtig von solchen Nationen verlangt
werden.
[Nach oben]
Rückführung von Auslandsverschuldung
Auslandsschulden, die keine Staatsschulden sind, lassen sich
durch die Ausgabe von Aktien und Beteiligungen begleichen.
Staatsverschuldung dem Ausland gegenüber kann auf gleiche
Weise bewältigt werden wie inländische: Die Zentralbank der
Schuldnernation kann eigene Geldeinheiten im Gegenwert ihrer
ausländischen Schulden produzieren, und zwar genau zum Wechselkurs,
der unmittelbar vor dem Zurückzahlen gültig ist. Diese neuen
Geldeinheiten werden dem ausländischen Gläubiger dann als
vollständige Rückzahlung übergeben.
In manchen Fällen würde dies dazu führen, daß ein großer
Anteil der Geldmenge eines Landes in fremden Händen ist. Im
Juni/Juli 1985 erstellte ich dazu eine Statistik der Geldmenge
mehrerer Länder (die Zahlen setzen voraus, daß keine Banken
die Staatsanleihen besitzen):
Währungen, in Milliarden (Mrd)
Nation |
U.S.A. |
U.K. |
Brasilien |
Mexiko |
Süd-
afrika |
Währung |
Dollar |
Pfund |
Cruzeiros |
Pesos |
Rand |
Gegenwärtige |
|
|
|
|
|
Geldmenge |
3.136,0 |
138,5 |
161.580 |
10.475,8 |
45,3 |
Staatsverschuldung |
|
|
|
|
|
- inländische |
6.349,9 |
158,5 |
205.501 |
7.200,0 |
43,2 |
- ausländische |
175,5 |
12,2 |
676.401 |
21.933,6 |
53,3 |
Gegenwert |
|
|
|
|
|
in US-Dollar |
|
|
$ 113,3 |
$ 96,2 |
$ 22 |
Neue Geldmenge |
9.661,4 |
321,8 |
1.043.482 |
39.608,8 |
141,8 |
Hätten alle diese Länder damals ihre gesamten ausländischen
Staatsschulden zu damaligen Wechselkursen auf die hier vorgeschlagene
Weise beglichen, wäre die Gesamtgeldmenge in allen Ländern
gestiegen. Am geringsten wäre die Erhöhung der Geldmenge in
Großbritannien gewesen. In den Vereinigten Staaten und Südafrika
hätte sie sich mehr als verdreifacht, Mexiko hätte fast viermal
so viele Währungseinheiten gehabt, Brasilien sechseinhalbmal
so viele. Damit wäre es dann aber auch zu Ende: Es gäbe keine
weitere Zunahme der jeweiligen nationalen Geldmengen mehr.
Eigentümer aller Währungen könnten sich dann anstelle der
heute zu erwartenden laufenden Entwertung auf die zu erwartende
Stabilisierung einstellen.
[Nach oben]
Auswirkungen auf die inländische Geldmenge
Nach der obigen Berechnung hätte sich mit Ausnahme der Vereinigten
Staaten ursprünglich in allen Binnenmärkten die inländische
Geldmenge verdoppelt. In ausländischen Händen wären ein Drittel
der gesamten südafrikanischen Geldmenge, die Hälfte der mexikanischen
und zwei Drittel der brasilianischen. Diese Summen würden
wieder in die eigenen, ursprünglichen Binnenmärkte zurückfließen,
indem sie von ihren ausländischen Eigentümern für Importe
aus dem Ursprungsland der Geldeinheiten oder bei Reisen dorthin
ausgegeben werden.
Würden Brasilien, Mexiko und Südafrika attraktive Investitionsprogramme
für ausländische Anleger anbieten, würden die ausländischen
Eigentümer ihrer Währungen an diesen Investitionen interessiert
sein. Diese würden ihre Wirtschaft ankurbeln und damit die
inländische Nachfrage nach Geldeinheiten erhöhen. Der Anstieg
der Nachfrage wiederum würde den Wertverlust durch die aus
dem Ausland zurückgekehrten Geldeinheiten dämpfen. Eine solche
Art der Schuldenrückführung würde dann in jeder der betreffenden
Nationen einen beachtlichen Investitionsboom auslösen.
Von den genannten Ländern würden dann nur die Vereinigten
Staaten sofort einen massiven Anstieg der inländischen Geldmenge
erleben, und zwar einen dreifachen. Der Tauschwert des Dollars
dürfte dann auf ein Drittel sinken, und Preise und Löhne würden
sehr schnell entsprechend ins Wackeln geraten. Im Rahmen eines
weltweiten Umwandlungsprogramms würde der US-Dollar aber gleichzeitig
ungemein gewinnen. Denn in den hier angeführten Zahlen sind
die sogenannten Eurodollars nicht berücksichtigt. Dies sind
Dollars, die dem US-Markt heute endgültig entzogen sind, die
in ausländischen Banken und ausländischen Papieren festliegen.
Durch die Mechanik des Verleihens und Weiterverleihens hat
sich die Summe dieser Eurodollars auf ein Vielfaches der inländischen
amerikanischen Geldmenge erhöht. Es wäre eine riesige Gefahr
für die inländische Kaufkraft des US-Dollar, sollten diese
Eurodollars in die Vereinigten Staaten zurückfließen.
Im Rahmen eines weltweiten Umwandlungsprogramms aber würden
diese Eurodollars zu Beteiligungen oder in andere Währungen
konvertiert. Eurodollar-Kredite an private Kreditnehmer würden
zu Beteiligungen umgewandelt, Eurodollar-Kredite an Staaten
zu Geldeinheiten der Währung des betreffenden Schuldnerlandes.
Eurodollars würden aussterben, und das Damoklesschwert, das
jetzt über dem US-Dollar hängt, wäre verschwunden.
Die hier zitierten Zahlen stellen den höchstmöglichen Geldmengenanstieg
dieser Nationen dar. Der tatsächliche Zuwachs läge bedeutend
niedriger, denn die Summe der Geldeinheiten, die zur Rückführung
der Staatsschulden zu drucken wäre, würde sich in dem Maß
verringern, wie verstaatlichte Industrie und andere staatseigene
Vermögenswerte zu Beteiligungen umgewandelt werden können.
Im Falle von Bankkrediten an Regierungen würden die neu produzierten
Geldeinheiten von den Banken zum Auszahlen ihrer Anleger benützt
werden, also keinen Anstieg der Geldmenge darstellen, sondern
eher eine Unterstützung vorhandener, bisher ungedeckter Ansprüche.
[Nach oben]
SCHLUSSWORT
Die Umwandlung von Forderungen auf Rückzahlung von
Krediten in Eigentumsanteile soll hier nicht als Allheilmittel
für alle wirtschaftlichen Probleme angepriesen werden.
Doch kann diese Umwandlung eine Menge positiver Auswirkungen
haben. Sie werden sich aber nicht automatisch durch
das Umwandlungsprogramm einstellen, sondern es bedarf
konzentrierter Anstrengungen, um die gewünschten Ergebnisse
sicherzustellen. Ohne eine solche Umwandlung andererseits
werden wir überhaupt keine positiven Auswirkungen erleben.
Die Banken werden daraus für sich nicht gerade die geringsten
Vorteile haben. Schließlich werden im Zuge dieser Umwandlung
weder das Banken- noch das Währungssystem zusammenbrechen,
und diese Gefahr dürfte dann auch für die weitere Zukunft
gebannt sein: Bankeigentümer werden, sowie Risikodarlehen
aus den Bilanzen verschwinden und durch Vermögensposten festen
Wertes ersetzt werden, zunehmend Substanz in ihren Aktien
erhalten. Alle Bankkunden werden in der Lage sein, gleichzeitig
alle ihre Einlagen abzuheben _ ohne übrigens der Bank im geringsten
wehzutun. Auch die Nachfrage nach Girokonten und Dienstleistungen
für den bargeldlosen Verkehr wird nicht leiden. Für langfristigere
Einlagen werden Aufbewahrungskosten anfallen, sie werden also
weniger attraktiv sein als Tausch gegen Beteiligungen. Folglich
wird Geld wahrscheinlich schneller als bisher von der Bank
zum Markt und wieder zur Bank und von einem Konto zum anderen
fließen. Ein kontinuierlicher Fluß von Geld wird für den Erwerb
neuer Eigentumstitel zur Verfügung stehen.
Auch der Markt im allgemeinen wird profitieren. Durch das
Umwandlungsprogramm kann sich der Geldwert endlich stabilisieren.
Ersparnisse werden ihren Wert behalten. Preise müssen nur
dem Angebot und der Nachfrage des betreffenden Produktes entsprechend
angepaßt werden. Die Einschätzungen von Tauschwerten durch
unterschiedliche Personen zu verschiedenen Zeiten werden gültig
vergleichbar. Geld wird endlich wieder ein gültiges Maß des
Tauschwertes sein. Die Wirtschaftswissenschaft kann tatsächlich
wieder eine Wissenschaft werden.
Viele der verzerrten Maßstäbe, nach denen wir jetzt entscheiden,
werden korrigiert werden. Früher betrachtete man Investitionen,
die sich für den Anleger in zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren
rentierten, als solide. Heute geht man hier von maximal fünf,
manchmal sogar nur drei Jahren aus. Diese kurzsichtige Perspektive
hat die Verwirklichung vieler wertvoller Unternehmensideen
verhindert. Unter gesunden Währungen mit stabiler Kaufkraft
und der Betonung auf sicheren Werten, die innerhalb eines
Beteiligungsinvestitionsprogramms nötig ist, wird sich wieder
eine langfristigere Sicht durchsetzen. Ohne die Scheuklappen
kurzsichtigen Profitdenkens wird man wieder mehr Unternehmensideen
als wertvoll betrachten, und daraus wird eine große Menge
neuer Arbeitsplätze entstehen.
Sparer werden sich _ auch ohne Einlagenversicherung _ sicherer
fühlen als bisher, denn die Umwandlung zu Eigentum wird die
Gefahr bannen, daß einzelne Banken oder das gesamte System
zusammenbrechen. Das Sparen wird nicht aufhören, sondern es
wird sich von der reinen Geldanlage zur gemischten Anlage
von Geld und Beteiligungen wandeln. Der Tauschwert von Geld
und Anteilen wird sich zugegebenermaßen verändern, wird aber
letztlich immer positiv sein. Wenn aber nichts geschieht und
das ganze System zusammenbricht, werden sie eventuell vollkommen
wertlos sein.
Die vorgeschlagenen Änderungen werden viele aus der sie versklavenden
Schuldenlast befreien. Nationen und Einzelpersonen werden
ihre Würde wiedererlangen, sie werden ihre Entscheidungsfreiheit
zurückgewinnen. Manager werden nicht mehr vor der grausamen
Alternative stehen, entweder einige Angestellte zu entlassen
und Zinsen zu tilgen, oder keine Zinsen zu zahlen und bald
Allen kündigen zu müssen.
Auch die Dauerbelastung durch die gegenwärtigen Wirtschafts-
und Konjunkturzyklen wird der Vergangenheit angehören. Es
wird einen kontinuierlichen Strom von Mitteln für Investitionen
geben, und es werden, um die Kosten der Aufbewahrung des Geldes
zu vermeiden, laufend neue Anlagemöglichkeiten für private
Ersparnisse und Gewinne gesucht werden.
Wachstum wird von der fortlaufenden Entwicklung neuer
Ideen und Produktionskapazitäten abhängen, nicht mehr
von immer neuer Verschuldung. Wirtschaftliche Expansion
wird abhängen vom positiven Geldfluß aus neuen Ersparnissen
und neuen Gewinnen.
Die neu etablierte Integrität des Geldes wird auch zumindest
eine der Ursachen menschlichen Leids beheben: Sparer, Empfänger
fester Einkommen und Menschen, die langfristige Verpflichtungen
eingegangen sind, werden nicht mehr heimlich von inflationärem,
unredlichem Geld bestohlen. Nicht zuletzt damit könnte eine
solche Entwicklung dazu führen, daß persönliche Integrität
und Ehrlichkeit wieder einen höheren Stellenwert bekommen.
Die Charaktereigenschaften ehrenhaften Verhaltens werden wieder
gefragt sein, denn die Sicherheit unserer Investitionen hängt
von ihnen ab. Die Wahrnehmung wechselseitiger Abhängigkeit
in dem neuen System kann zu mehr Rücksicht auf die Mitmenschen
und letztlich zu einer humaneren Gesellschaft führen.
Natürlich wird die neue Situation nicht gleich ein reines
Honiglecken sein. Es werden viele Fehler gemacht werden auf
diesem neuen und ungewohnten Pfad. Manch einer wird es schwierig
finden, die eingefleischten Denkweisen unserer kreditorientierten
Gesellschaft abzulegen. Bestimmt hat es manch ein Leser bereits
schon so empfunden.
Einige werden in große Bedrängnis kommen, wenn sie den tatsächlichen
Wert ihrer Investitionen entdekken. Wir sollten jedoch im
Rahmen dieses Umwandlungsprozesses in der Lage sein, diejenigen
zu erkennen, die darunter übermäßig leiden könnten, und entsprechende
Vorkehrungen treffen, um ihnen über das Schlimmste hinwegzuhelfen.
[Nach oben]
Der Umwandlungsprozeß läßt sich
steuern, ein Zusammenbruch nicht
Die Argumente für ehrliches Geldsystem sind zwingend.
Redliches Geld ist kein Räuber. Es stiehlt nicht von
den Sparsamen. Es entzweit die Gesellschaft nicht. Es
führt keine Wirtschafts- und Konjunkturzyklen im Schlepptau
und verursacht keine Arbeitslosigkeit. Ganz im Gegenteil:
Es ermutigt zum Sparen. Es unterstützt dauerhaftes Wirtschaftswachstum.
Es belohnt verdienstvolles Verhalten. Es verlangt Integrität.
Diese Ziele sind unserer Mühe wert. Sie sind erreichbar.
Nötig ist jetzt nur unser Wille, sie zu verwirklichen.
[Nach oben]
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